Blick vom Grouse Mountain über das Fraser Valley und Mount Baker.

Geheime Pfade am Grouse Mountain

Der Flint & Feather Trail


02. September 2017 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt die Besteigung des Grouse Mountain in den North Shore Mountains bei Vancouver. Meine Wanderung beginnt an der Talstation des Grouse Mountain Skyrides und führt mich über den anspruchsvollen Flint & Feather Trail bis zum Peak Chalet. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum eigentlichen Gipfel. Nach einer kurzen Verschnaufpause am höchsten Punkt kehre ich mit der Seilbahn wieder zurück ins Tal.

Schwierigkeit: T3, UIAA IGPS-Route: Download

Touri-Routen und Schleichpfade

Er ist so gut erschlossen wie kaum ein anderer Berg in British Columbia: der Grouse Mountain (1231m). Mehr als zehn verschiedene Anstiege führen hinauf auf den beliebten Aussichtsgipfel bei Vancouver. Die meisten wissen von dieser Routenvielfalt jedoch wenig. Während sich das Gros der Besucher auf den beliebten Grouse Grind konzentriert, schuften die anderen Routen – darunter der BCMC Trail und der Skyline Trail – ein regelrechtes Schattendasein. Mit dem Flint & Feather Trail steht für mich heute nicht nur einer der einsamsten, sondern auch anspruchsvollsten Anstiege auf dem Programm.

Für die Würze ist gesorgt

Der Spätsommer zeigt sich noch einmal von seiner besten Seite, als mich der Bus früh morgens an der Talstation des Skyrides (274m) absetzt. Wie schon seit mehreren Wochen ist keine Wolke am Himmel zu sehen und die Temperaturen kratzen bereits in den frühen Morgenstunden an der 30°C-Marke. Bei diesem Wetter verwundert es nicht, dass British Columbia zurzeit von unzähligen Waldbränden in Atem gehalten wird. Rund um Vancouver ist es zum Glück aber noch relativ ruhig, und so steht meiner Wanderung heute nichts im Wege.

Während sich der Parkplatz vor der Talstation langsam mit SUVs und Pickup Trucks zu füllen beginnt, stapfe ich gemütlich hinüber zum Waldrand. Dort haben sich wie gewohnt ein paar Trail Runner eingefunden, die sich ein letztes Mal dehnen und strecken, bevor es gleich im Laufschritt in Richtung Gipfel geht. Eigentlich scheint alles so wie immer. Dann bleibt mein Blick allerdings an einem großen, weißen Schild hängen, das ich hier am Trailhead zum allerersten Mal sehe. Neugierig trete ich näher. »Black Bear Sighting« steht dort mit großen, grünen Lettern geschrieben. »Oha!« Für die nötige Würze ist heute ganz offensichtlich gesorgt! Unbeirrt mache ich mich trotzdem auf den Weg.

Bären-Warnung am Grouse Mountain.

Bereits am Einstieg wird auf die aktuelle Bärensituation hingewiesen.

Erste Meter auf dem BCMC

Während die meisten Touristen direkt links auf den beliebten Grouse Grind einbiegen, halte ich mich erst einmal rechts und schlendere gemütlich hinüber zum BCMC Trail. Zu meiner Überraschung wird auch hier noch einmal explizit auf die aktuelle Bärensituation hingewiesen. Kurz ärgere ich mich darüber, dass ich mir immer noch kein Bärenspray gekauft habe, dann wende ich mich aber doch dem Aufstieg zu. Während ich dem BCMC langsam bergauf folge, komme ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der gerade mit seiner Enkelin unterwegs ist. Vom Flint & Feather Trail hat auch er noch nichts gehört, und so beginnt er mich neugierig darüber auszufragen. Als ich ihm von den Kletterpassagen erzähle, lacht er nur und nickt seiner Enkelin zu: »Ich glaube, wir bleiben heute doch lieber auf dem BCMC

Jenseits des markierten Pfades

Nach etwa 20 Minuten trennen sich schließlich unsere Wege. Während der ältere Herr mit seiner Enkelin den Serpentinen des BCMC weiter nach oben folgt, verlasse ich den gut markierten Steig bei einer scharfen Kehre. Einen expliziten Hinweis auf den Flint & Feather Trail sucht man hier vergeblich! Mir dient lediglich ein Baum mit gleich zwei BCMC-Plaketten als Orientierungspunkt.

Der Übergang zum Flint & Feather Trail.

Die ersten Meter auf dem Flint & Feather Trail sehen nicht nach »Weg« aus.

Vorsichtig folge ich den Steigspuren hinab in die breite Rinne zwischen Grind und BCMC. Ein »Weg« im konventionellen Sinn ist das hier unten definitiv nicht. Das Ganze ähnelt vielmehr einem stark verwucherten Bachbett. Für die Wanderer auf dem nahegelegenen Grouse Grind muss es wohl so aussehen, als hätte ich mich verlaufen. Aber ich bin hier tatsächlich auf der richtigen Fährte. Unbeirrt folge ich der steinigen Rinne bergauf und muss mich dabei an allerlei Gestrüpp und Gehölz vorbeizwängen. Während hier noch mit Markierungen gespart wird – es gibt keine einzige – erwartet mich keine zwei Minuten später ein regelrechter Schilderwald. Fast jeder zweite Baum ist hier auf einmal mit einer Plakette versehen. Zielstrebig peile ich das weiß-blaue Schild mit dem Pfeil an. Während der Pfeil nach rechts zum BCMC deutet, folge ich den schwachen Steigspuren nach links und erreiche nur wenige Augenblicke später ein kleines Geröllfeld. Das war’s! Das chaotischste Stück liegt hinter mir!

Trampelpfade und Felsstufen

Mit flotten Schritten folge ich dem gut erkennbaren Trampelpfad, der auf der anderen Seite des Geröllfeldes den Hang hinauf führt. Vom Trubel, der am Grind und am BCMC herrscht, bekomme ich hier nichts mehr mit. Ich bin vollkommen alleine unterwegs – das heißt, sofern nicht irgendwo ein Schwarzbär im Gebüsch lauert… Die nächsten Minuten verlaufen jedoch relativ unspektakulär, und so richte ich meine Gedanken schon einmal langsam auf die Klettereinlagen, die mich bald erwarten.

Die erste Felsstufe am Flint & Feather Trail.

Die erste kleine Felsstufe lasse ich problemlos hinter mir.

Noch habe ich eine halbe Stunde Schonfrist, dann blitzen bereits die ersten felsigen Passagen zwischen den Bäumen hervor. Jetzt wird es ernst! Die erste Felsstufe umgehe ich bequem über die gut erkennbaren Spuren, welche linkerhand um die Wand herum führen. Theoretisch ließe sich die Wand auch rechterhand umgehen, doch – wie ich aus persönlicher Erfahrung weiß – ist dies ein deutlich anspruchsvolleres Unterfangen. Über einen schmalen Steig geht es anschließend direkt weiter zur zweiten großen Felsstufe, welche ich rechterhand umgehe. Zügig folge ich den Spuren, bis sich schließlich direkt vor mir bereits die nächste große Wand aufbaut.

Die Schlüsselstelle

Über die Wand selbst komme ich nicht weiter. Dafür sieht die steile Felsrinne zu meiner Linken machbar aus. Es ist die Schlüsselstelle der Tour. Ohne lange zu zögern mache ich mich ans Werk. Während sich die Passage anfangs noch schön klettern lässt, wird es zum Schluss raus doch noch einmal unangenehm. Da am oberen Ende der Rinne gute Tritte fehlen, muss ich nach links ausweichen und mich um einen bauchigen Felsblock herum hangeln. Doch auch hier ist das Trittangebot bei Weitem nicht optimal. Auf einer schräg abfallenden Felskante, die gerade einmal einen halben Fuß breit ist, stelle ich mein linkes Bein ab. Direkt darunter klafft der Abgrund. Ich muss lange suchen, bis ich mit beiden Händen einen Griff finde, dem ich vertraue. Dann kommt der Moment der Wahrheit: Ich nehme meinen Mut zusammen und schwinge mit einer grazilen Bewegung mein linkes Bein weit um den Felsblock herum. Schnell ziehe ich den rechten Fuß nach. Dann es ist geschafft! Aufatmen.

Die Schlüsselstelle des Flint & Feather Trail.

Die Schlüsselstelle der Tour: Mit Hand und Fuß geht es hier steil bergauf.

Verschnaufpause mit Ausblick

Erleichtert lasse ich mich auf dem schmalen Felsvorsprung, der einige Meter weiter den Capilano Lake überblickt, nieder und genieße für ein paar Minuten die Aussicht. Das Panorama von hier oben ist grandios! Tatsächlich dürfte dies wohl der beste Aussichtspunkt am Grouse Mountain (1231m) sein – denn hier gibt es keine Seilbahnmasten oder Liftanlagen, die den Ausblick stören! Zufrieden krame ich meine Wasserflasche aus dem Rucksack hervor und gönne mir eine kleine Pause. Als ich kurz darauf ein paar Frauenstimmen unter mir vernehme, mache ich mich wieder auf den Weg. Was folgt ist ein abwechslungsreicher Mix aus Wald- und Felspassagen.

Blick über Vancouver vom Grouse Mountain.

Zufrieden blicke ich über Vancouver und das Burrard Inlet.

Unerwartete Begegnungen

Als ich einige Minuten später eine große Lichtung erreiche, lege ich noch einmal schnell eine kurze Brotzeitpause ein. Während ich mich genüsslich über ein paar Gummibären hermache, wird aus der Lichtung ein Ort der Begegnung. Von unten schließen nicht nur die beiden Frauen, sondern auch zwei ältere Rentner auf. Von oben stößt ein Pärchen mit Hund hinzu. Soviel Action sieht der Flint & Feather Trail selten! Für ein paar Minuten stehen wir beisammen und reden über die Bärensituation – es sind wohl gleich vier Schwarzbären am Berg gesichtet worden – dann gehen wir wieder unserer Wege. Weit ist es jetzt nicht mehr!

Bildergalerie: Grouse Mountain (Flint & Feather Trail)

Rückkehr aus der Wildnis

Im Windschatten der beiden Senioren sause ich über die letzten Meter des Flint & Feather Trail und des BCMC hinauf zum geschäftigen Peak Chalet (1127m). Dort halte ich mich – aufgrund des Trubels – allerdings nicht allzu lange auf. Bevor ich gleich die letzte Etappe zum Gipfel in Angriff nehme, lege ich – wie gewohnt – noch schnell einen Zwischenstopp beim BeaverTail-Stand ein. Das köstliche kanadische Gebäck gehört bei einer Tour am Grouse Mountain (1231m) einfach dazu! Gestärkt von einer Biberkelle mit Zucker-Zimt-Zitrone nehme ich schließlich den Gipfel ins Visier.

Ein Grizzly am Grouse Mountain.

Imposant: Einer der Grizzlys am Grouse Mountain blickt mich misstrauisch an.

Gipfel-Routine

Grouse Mountain
LandKanada
GebirgeCoast Mountains
KammNorth Shore Mountains
Höhe1231 m
Koordinaten49°23′08″N, 123°04′33″W

Der restliche Weg ist kaum der Rede wert. Zügig spaziere ich am Grizzly-Gehege vorbei und folge – unter dem lauten Knattern einiger Käfer – der breiten Piste hinauf zum Eye of the Wind. Das 65 Meter hohe Windrad, das seit 2010 über Vancouver thront, lässt sich an schönen Tagen selbst von Downtown aus bestens erkennen. Gemütlich schlendere ich über den Vorplatz der kolossalen Anlage und lasse meine Blicke über das Umland schweifen. Die Sicht reicht von Vancouver Island im Südwesten bis zum stark vergletscherten Mount Baker (3286m) im Südosten. Mit dem Mount Fromme (1185m) im Osten und dem Dam Mountain (1349m) im Norden sehe ich zudem auch ein paar alte Bekannte wieder. Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich diese beiden Gipfel erkundet habe. Bevor ich mich gleich dem Abstieg zuwende, stapfe ich der Vollständigkeit halber noch schnell zum eigentlich Gipfel hinüber, wo sich gerade ein paar Paraglider auf ihren Flug vorbereiten. Als sie schließlich sanft über das Burrard Inlet hinweg gleiten, wird es auch für mich langsam Zeit zu gehen. Auf meinem Weg zum Peak Chalet lege ich noch einmal einen kurzen Stopp beim BeaverTail-Stand ein, dann ruft auch schon die Seilbahn. Für heute reicht’s!

Paraglider segeln vom Grouse Mountain talwärts.

Ein paar Paraglider ziehen ihre Bahnen über West Vancouver.

StationenDistanzDifferenzZeit
Talstation Grouse Skyride
→ Peak Chalet +2,4 km860 m ↑7 m ↓+1h 20m
→ Grouse Mountain ✝ +1,3 km104 m ↑0 m ↓+0h 15m
→ Peak Chalet +1,3 km0 m ↑104 m ↓+0h 15m
Gesamt 5,0 km964 m ↑111 m ↓1h 50m