Der Blick vom Enzian hinüber zum Heugstatt.

Sechs Tausender

Über Mühlriegel, Ödriegel, Hängender Riegel,
Schwarzeck, Heugstatt, und Enzian


31. Mai 2025 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt die Überschreitung von sechs Tausendern im Bayerischen Wald. Unsere Wanderung beginnt am Wanderparkplatz Eck (843m), kurz unterhalb des Scheitels der Glasstraße. Von dort folgen wir dem langgezogenen Arber-Kamm über den Mühlriegel, den Ödriegel, den Hängenden Riegel, das Schwarzeck, die Heugstatt, und schließlich den Enzian. Mit sechs Gipfeln im Gepäck kehren wir über die Westflanke wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Schwierigkeit: T2, UIAA IGPS-Route: DownloadWanderkarte: Kompass 198

Prolog

Im August 2013 machten sich zwei unserer Kameraden auf, um eine der wohl bekanntesten Touren im Bayerischen Wald zu gehen: die berüchtigten »Acht Tausender«. Von Eck (843m), am Scheitel der Glasstraße, führt die langgezogene Kammwanderung über insgesamt acht Gipfel, die allesamt die magische 1000-Meter-Marke knacken — vom Mühlriegel (1080m) bis zum Großen Arber (1456m). Jetzt, fast zwölf Jahre danach, kehren wir zurück, um eine eigene Variante dieser populären Wanderung zu realiseren: die »Sechs Tausender«.

Obwohl der Verlauf unserer Wanderung größtenteils der klassischen Route folgt, gibt es einige wichtige Unterschiede. Während die Überschreitung der »Acht Tausender« bei Eck beginnt und an der Bergstation der Arber-Bergbahn endet, haben wir unsere Variante als Rundtour konzipiert, die uns letztlich wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt führt. Dafür verzichten wir auf die Besteigung der letzten beiden Tausender, der beiden Arber-Gipfel (1384m, 1456m), die wir allerdings eh schon von einer früheren Unternehmung kennen. Zu guter Letzt ersetzen wir noch den fragwürdigsten »Gipfel« der klassischen Tour — den Reischfleck (1146m) — mit einem anderen Gipfel, der normalerweise nicht bestiegen wird: den Hängenden Riegel (1183m).

Am Eck

Ein makelloser Maihimmel prangt über dem Bayerischen Wald, als wir in den frühen Morgenstunden unseren Wagen die Glasstraße bis nach Eck hinauflenken. Zu meiner Überraschung zeigt sich der Wanderparkplatz kurz unterhalb des Bergpasses noch nahezu leer. Lediglich zwei, drei andere Autos stehen bereits am Waldrand aufgereiht. Während mein Kamerad noch gemächlich zum Parkautomaten hinübertrabt, um für zwei Euro ein Ticket herauszulassen, nutze ich die Gelegenheit und creme mich noch einmal sorgfältig ein — denn es verspricht ein heißer, sonniger Tag zu werden.

Bildergalerie: Mühlriegel, Ödriegel, Hängender Riegel, Schwarzeck, Heugstatt, & Enzian

Es ist 08:25 Uhr, als wir uns auf den Weg machen. Unser Gepäck ist heute relativ spartanisch: drei Liter Wasser, etwas Proviant, eine Kamera, und etwas Sonnencreme. Mehr haben wir nicht dabei. Locker schlendern wir am Berggasthof Eck vorüber, der in diesen frühen Morgenstunden noch einen verwaisten Eindruck macht, und verschwinden kurz darauf, einem Wegweiser folgend, auf der anderen Straßenseite im schattigen Wald.

Rechterhand passieren wir sogleich ein kleines Grundstück zwischen den Bäumen. Zwei putzige Hasen hoppeln dort über den Hof und beobachten, wie wir langsam vorüberziehen. Linkerhand ziert ein Spalier aus alten Totenbrettern den Wegesrand. Mit kurzen Gedichten und Sprüchen erinnern sie an die schon lang verschiedenen Bewohner der Gegend.


Andenken an Rosa Aschenbrenner, Gastwirtin von Eck, geb. 23. Jan. 1853, gest. 13. Aug. 1912. Ihr ganzes Leben / ein einzig's Vorwärtsstreben. / Hast weiter gedacht, / aus dem Eck ein Wirtshaus gemacht.

Andenken an Eduard Aschenbrenner, Gastwirt von Eck, geb. 22. Sept. 1887, ges. 11. Sept. 1916 in Flers/Frankreich, Panzerschlacht an der Somme. Mutig ist er in den Krieg gezogen für seine bayrische Heimat und sinnlos geopfert für den deutschen Größenwahn.

Andenken an Herrn Eduard Aschenbrenner, Bauer von Großaign. *09.12.1914 ✝21.12.1958. RIP. Wanderer! Laaf ned so schnej vorbei, / genieß Dei Lem, / les no' und hoit kurz ei / mir waren grod 44 Jahral gem!


Hinter einem Hühnerverschlag zu unserer Rechten stoßen wir auf ein letztes Totenbrett, das Fritz Eiginger, dem Jäger von Eck, gewidmet ist, dessen Leben ganz augenscheinlich ein gewaltsames Ende fand.

Totenbretter bei Eck.

Totenbretter erinnern am Wegesrand an die einstigen Bewohner der Gegend.

Der Mühlriegel

Nach diesen Relikten waidlerischen Brauchtums fängt der Weg auch schon an anzusteigen. Vom Wald gelangen wir bald auf eine Lichtung, die mit allerlei Ast-Fragmenten und Wurzel-Schrapnell übersät ist. Dann biegen wir wieder in den Wald ein, bis wir nach etwa einer halben Stunde einen hölzernen Unterstand erreichen. Rechts über uns, leicht versteckt hinter einigen Blättern, schießt auch schon ein wuchtiges Holzkreuz in den blauen Himmel. »Das muss der erste Gipfel sein!«, sage ich zu meinem Begleiter. Beflügelt vom nahenden Gipfelglück biegen wir sogleich auf den schmalen Pfad ein, der rechts hinter der Schutzhütte den Hang hinaufführt. Dann öffnet sich der Wald.

Mühlriegel
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1080 m
Koordinaten49°09′25″N, 13°00′54″E

Während wir die letzten Felsstufen des Mühlriegel (1080m) emporkraxeln, kommt uns von oben eine junge, sportliche Frau, mit einem prall-gefüllten grünen Rucksack auf den Schultern, entgegen. Im Vorübergehen grüßen wir einander freundlich. Dann haben mein Kamerad und ich den geräumigen Gipfel für uns allein. Direkt unter dem hölzernen Kreuz machen wir es uns erst einmal gemütlich, essen und trinken eine Kleinigkeit, und lassen die Blicke über das Zeller Tal und die umliegenden Wälder schweifen.

Der Gipfel des Mühlriegel im Bayerischen Wald.

Mit dem Mühlriegel haben wir den ersten Gipfel erreicht.

Der Ödriegel

Keine zehn Minuten später sind wir wieder auf den Beinen. Ein breiter, sonnengefluteter Waldweg führt uns jetzt erst einmal wieder hinab. Als wir den Sattel erreichen, werfen wir sicherheitshalber noch einmal einen Blick in unsere Karte, um nicht falsch abzubiegen, dann folgen wir den Markierungen des Goldsteigs weiter nach Osten. Es dauert nicht lange, bis der Weg wieder ansteigt. Schritt um Schritt, und leicht außer Atem, arbeiten wir uns zwischen moosigen Felsen und knorrigen Wurzeln den Kamm hinauf, bis sich der Wald endlich wieder zu lichten beginnt. Bald schon erscheinen die ersten imposanten Felsformationen, welche wir aber links liegen lassen. Als uns ein paar Minuten später die nächsten markanten Felstürme begegnen, haben wir den zweiten Gipfel der Wanderung bereits vor der Nase. Dass es sich dabei um den Ödriegel (1155m) handelt, realisieren wir im Moment aber noch nicht.

Die Felstürme des Ödriegel.

Unbewusst passieren wir die imposanten Felstürme des Ödriegel.

Mein Kamerad, der bereits ein Stück vorausgeeilt ist, kraxelt kurzerhand über die Rückseite hinauf zum höchsten Punkt der Felsformation, kommt aber sogleich wieder schulterzuckend herunter. »Da oben ist nichts«, erklärt er trocken. »Dann kann ich mir den Aufstieg ja sparen«, denke ich mir und mache kehrt.

Zurück am Hauptweg folgen wir dem sanft ansteigenden Kamm weiter hinauf. Ein Teppich aus Heidelbeersträuchern säumt den schmalen Pfad. Allzu weit sind wir noch nicht gekommen, als wir links, ein Stück den Hang hinab, zwei markante Felsblöcke entdecken, die das Tal im Westen überblicken. Auf einem der beiden Brocken thront ein massives metallenes Kreuz, das augenscheinlich mit einer Solaranlage verknüpft ist — vermutlich, damit es nachts über dem Tal erstrahlt. Kurz inspizieren wir den abweisenden Felsklotz, den wir fälschlicherweise für den zweiten Tausender der Tour halten, verzichten aber letztlich darauf, ihn zu erklimmen. Stattdessen werfen wir endlich wieder einen Blick in die Karte. Wie sich herausstellt, sind wir am Ödriegel (1155m) bereits vorbei! Es war doch die unscheinbare Felsformation, von der mein Begleiter vorhin herunterkam.

Das leuchtende Kreuz beim Ödriegel.

Ein Stück weiter entdecken wir einen Felsklotz mit Kreuz.

Da wir uns von ihm noch nicht sonderlich weit entfernt haben, machen wir noch einmal kehrt — der Vollständigkeit halber. Während wir den heidelbeergesäumten Pfad zurücktrotten, entdecken wir am Wegesrand noch einen weiteren kleinen Felsklotz, der mit einem Kreuz bekrönt ist. Ein schmaler, kaum erkenntlicher Schleichpfad führt zu ihm hinüber. Mein Kamerad entscheidet sich, dem neu-entdeckten Felsen einen Besuch abzustatten.

Ödriegel
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1155 m
Koordinaten49°09′31″N, 13°01′30″E

Ich folge derweil noch einmal kurz den Kamm hinab und steige eilig den Ödriegel (1155m) empor. Kurz lasse ich die Blicke über das Umland schweifen, vom Lamer Winkel bis zum Hohen Bogen mit dem Eckstein (1073m). Dann steige ich auch schon wieder ab.

Der Gipfel des Ödriegel im Bayerischen Wald.

Der Vollständigkeit halber kehre ich zurück zum Gipfel des Ödriegel.

Zwei Minuten später schließe ich schließlich wieder zu meinem Begleiter auf, der es sich in der Zwischenzeit neben dem einfachen Kruzifix des neu-entdeckten Felsklotzes gemütlich gemacht hat. Allem Anschein nach ist es noch relativ neu. Unter der silbrig schimmernden Jesusfigur heißt es auf einer ovalen Plakette: »Gelobt sei Jesus Christus — Anno 2023«.

Am Waldwiesmarterl

Mit den ersten zwei Gipfeln im Gepäck ziehen wir weiter den Kamm entlang. Auf einem schönen, offenen Pfad schlängeln wir uns jetzt zwischen Gräsern, Sträuchern, und Bäumen hindurch. Nadeln und Zapfen bedecken den malerischen Weg, der sich relativ eben durchs grasige Unterholz zieht, bis wir in einem Sattel mit dem Waldwiesmarterl (1139m) unsere nächste Zwischenstation erreichen.

»Das ist kein Marterl, sondern eher ein Marter«, scherze ich beim Anblick des großen überdachten Kruzifixes. Ist es Zufall oder göttliche Fügung: jedenfalls steht die Sonne im Moment gerade so über dem Blätterdach, dass die Jesusfigur in vollem Glanz erstrahlt.

Kurz studieren wir noch ein Metallschild am Wegesrand, auf dem das Höhenprofil des gesamten Bergkamms mit all seinen Tausendern nachgezeichnet ist, dann nehmen wir den nächsten Gipfel ins Visier.

Das Waldwiesmarterl im Bayerischen Wald.

Beim nächsten Sattel gibt es das Waldwiesmarterl zu bestaunen.

Der Hängende Riegel

Hängender Riegel
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1183 m
Koordinaten49°09′02″N, 13°03′23″E

Ja, es ist ein regelrechter Riegelreigen! Keine zehn Minuten sind wir wieder unterwegs, als sich mit dem Hängenden Riegel (1183m) bereits der nächste Gipfel am Wegesrand aufbaut. Normalerweise wird dieser im Rahmen der »Acht Tausender« einfach links liegen gelassen. Doch mein Begleiter entdeckt leichte Pfadspuren, die zu der markanten Felsformation hinüberführen — und so biegen wir ab. Hier erwartet uns nun die kniffligste Stelle einer ansonsten mehr als gemütlichen Wanderung. Um nach ganz oben zu gelangen, muss eine kurze Kletterstelle (UIAA I) überwunden werden. Leicht ausgesetzt hangelt sich mein Begleiter um einen bauchigen Felsen herum und zieht sich schließlich hinauf. Konzentriert folge ich ihm hinterher. Ein paar beherzte Griffe, dann gehört der Gipfel uns. Sonderlich geräumig ist er nicht, aber zu zweit finden wir problemlos Platz für eine kurze Brotzeit.

Der Gipfel des Hängenden Riegel im Bayerischen Wald.

Eine knackige Kraxeleinlage führt uns hinauf auf den Hängenden Riegel.

Das Schwarzeck

Bis zum nächsten Gipfel — dem Schwarzeck (1236m) — ist es jetzt nicht mehr weit. Es dauert keine halbe Stunde, bis das schöne metallene Gipfelkreuz auf einem Hang zu unserer Linken erscheint. Gerade als wir den letzten Aufschwung in Angriff nehmen wollen, kommt uns ein älterer Herr entgegen und fängt einen Plausch an. Er erzählt uns, dass er von Schareben heraufgekommen sei und jetzt Richtung Mühlriegel (1080m) weitergehen wolle. »In die Richtung ist es einsamer,« fügt er hinzu. »Die meisten gehen ja doch in die andere Richtung, zum Arber.«

Schwarzeck
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1238 m
Koordinaten49°08′48″N, 13°03′52″E

Nachdem wir uns von dem netten Herrn verabschiedet haben, bringt uns ein sanfter Anstieg endlich hinauf zum vorgelagerten Kreuz des Schwarzeck (1236m). Etwas abseits davon hat es sich ein junges Pärchen auf einem Felsen gemütlich gemacht und gönnt sich beim Blick über den Lamer Winkel eine Brotzeit. Auch ich krame noch einmal meine Trinkflasche und etwas Proviant heraus und genieße die Aussicht. Mein Begleiter studiert derweil eine Schautafel, die das zu sehende benennt. »Das da vorne sind die beiden Osser!«, ruft er mir aufgeregt zu und deutet auf die zwei markanten Erhebungen, die aus dem langgezogenen Kamm jenseits des Tales herausstechen. Sofort werden Erinnerungen an unsere legendäre Winterbesteigung des Großen Osser (1293m) im Jahr 2012 wach. Lange ist es her!

Der Gipfel des Schwarzeck im Bayerischen Wald.

Mit dem Schwarzeck erreichen wir den vierten Gipfel der Wanderung.

Nachdem wir uns noch ein wenig an der herrlichen Aussicht gelabt haben, ziehen wir weiter zum eigentlichen Gipfel, der sich ein Stück weiter im Wald befindet. Nicht weit davon entfernt stoßen wir auch auf einen weiteren Aussichtspunkt, auf dem ein paar bunte Gebetsfahnen im Wind wehen. Hier öffnet sich zum ersten Mal der Blick nach Süden und enthüllt die nächsten Gipfel. Dem Kammverlauf folgend wandern unsere Blicke über die Heugstatt (1262m) und den Enzian (1286m) bis zum Kleinen Arber (1384m). Einen Moment lang halten wir inne, fasziniert von den weiten Wäldern, die sich nach Sturm und Borkenkäferbefall langsam wieder zu erholen scheinen. Wie ein Flickenteppich aus hellen und dunklen Grüntönen breitet er sich vor uns aus.

Am Reischflecksattel

Mehr und mehr Wanderer sind mittlerweile auf dem Kamm unterwegs. Die Zeit der Zweisamkeit ist ganz offensichtlich vorbei. Ein langer, steiler Abstieg bringt uns jetzt hinab zum Reischflecksattel (1118m). Auf dem Weg dorthin soll sich auch einer der »Acht Tausender« verstecken: der Reischfleck (1146m). Doch wir können hier nichts entdecken, das man mit gutem Gewissen als Gipfel deklarieren könnte.

Der Reischflecksattel im Bayerischen Wald.

Ein steiler Abstieg führt uns hinab zum Reischflecksattel.

Die Heugstatt

Nach einem kurzen, humorigen Hin-und-Her mit einem jungen Pärchen, das unten am Sattel im Schatten eines Baumes sitzt und Brotzeit macht, nehmen wir den Aufstieg zum nächsten Gipfel in Angriff. Gerade eben haben wir so viele Höhenmeter verloren, dass ich etwas sorgenvoll in Richtung Heugstatt (1262m) blicke. Doch der Anstieg stellt sich als deutlich sanfter heraus als zunächst gedacht. Voller Elan prescht mein Kamerad voran, langsam hechle ich ihm hinterher. Die Hitze auf dem fast schattenlosen Weg macht mir mittlerweile doch etwas zu schaffen.

Heugstatt
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1262 m
Koordinaten49°07′45″N, 13°04′06″E

Als ich das weite Gipfelplateau der Heugstatt (1262m) erreiche, wartet mein Begleiter bereits auf mich. Ein Stück weiter stoßen wir auf einen Aussichtspunkt mit einem urigen Kreuz, das aus knorrigen Holzstämmen irgendwie zusammengeschustert wurde. Unter den bunten Gebetsfahnen, die strahlenförmig von seinem Kreuzpunkt ausstrahlen haben es sich drei Solowanderer gemütlich gemacht. Wir gewohnt knipsen wir ein paar Fotos, ehe wir zum Hauptweg zurückkehren.

Der Gipfel der Heugstatt im Bayerischen Wald.

Auf der Heugstatt wartet ein schöner Anblick auf uns.

Der Enzian

Nach einem kurzen Abstieg, der kaum der Rede wert ist, erwartet uns der letzte Anstieg des Tages. Unser Ziel — den Enzian (1286m) — haben wir dabei stets im Blick. Ein mächtiges Kreuz ragt regelrecht aus dem jungen Wald, der die sanfte Erhebung umhüllt. Erneut kann ich mit dem Tempo meines Begleiters kaum mithalten. Als ich den gut besuchten Gipfel endlich erreiche, kann ich meinen Kameraden auf Anhieb gar nicht entdecken. Ich finde ihn schließlich auf einem Felsblock jenseits des Kreuzes. Als ich mich wieder zu ihm gesellt habe, machen wir noch einmal eine Brotzeit — die letzte für heute. Noch immer knallt die Sonne mit voller Kraft herab, doch im kühlen Wind, der jetzt über den Kamm bläst, lässt es sich hier sehr gut aushalten. Nachdem wir uns noch einmal eincremt haben, stapfen wir noch hinüber zum Kreuz und klatschen es ab. Dann geht es weiter den Kamm entlang.

Enzian
LandDeutschland
GebirgeBayerischer Wald
Höhe1286 m
Koordinaten49°07′25″N, 13°04′59″E

Wie schon beim Schwarzeck (1236m) befindet sich auch beim Enzian (1286m) der wahre Gipfel etwas abseits vom Kreuz. Wir entdecken ihn ein paar Meter weiter, links des Weges. Es ist der Höhepunkt der heutigen Tour. Fasziniert lassen wir die Blicke über die beiden Arber-Gipfel (1384m, 1456m) schweifen, die nun zum ersten Mal in voller Pracht zu sehen sind. Auch dort scheint sich der Wald langsam wieder zu erholen. Bei unserem letzten Besuch, im Jahr 2011, bot sich uns noch ein deutlich tristeres Bild.

Der Blick vom Enzian auf den Großen und den Kleinen Arber.

Vom Enzian haben wir endlich einen Blick auf die beiden Arber-Gipfel.

Der Hatscher beginnt

Sanft führt uns jetzt der Pfad, zwischen sattem Gras und totem Gehölz, alten Sträuchern und jungen Bäumen, hinab zum nächsten Sattel. Nach einem kurzen Brettersteig erreichen wir mit der Enzianwiese (1210m) schließlich den Wendepunkt unserer heutigen Tour. Während »Acht Tausender«-Aspiranten von hier noch die beiden Arber-Gipfel (1384m, 1456m) ansteuern, machen wir einen Schlenker nach rechts und treten den langen Weg zurück nach Eck an.

Obwohl mittlerweile ein paar erste kleine Wolken aufgezogen sind, knallt die Mittagssonne noch immer gnadenlos herab. Erschöpft rasten ein paar Radler auf den Hängen des Hochwiesschachten, den wir bald passieren, und auch ich gönne mir noch einmal einen Schluck aus der mittlerweile schon fast leeren Trinkflasche. Dann folgen wir dem Lauf des Marderweg, der sich wie ein Korsett an die Westflanke des Kammes schmiegt. Nach und nach traversieren wir jetzt die Gipfel der heutigen Tour in umgekehrter Reihenfolge: Enzian, Heugstatt, Schwarzeck...

Immer wieder kommen uns E-Biker und Radfahrer auf der schattenlosen Schotterpiste entgegen. Auf der Höhe des Reischflecksattel holen wir schließlich auch noch zwei Frauen ein, die gerade ihre beiden Pferde die Forststraße entlang führen. Dabei scheint das Ross der Älteren nicht ganz so zu spuren, wie sie es gerne hätte. Immer wieder schert es aus und bockt. Mit etwas Abstand folgen wir dem Vierergespann durch den stillen Nachmittag, der nur hie und da mal durch ein kraftvolles Wiehern durchbrochen wird.

Pferde auf dem Marderweg.

Im Windschatten zweier Pferde kehren wir langsam zurück.

Wie erwartet stellt sich der Rückweg als ein astreiner Hatscher heraus — denn zu sehen gibt es entlang des Weges rein gar nichts. Mein Begleiter beginnt zu philosophieren, dass Bergwanderungen ihren Reiz verlieren, sobald man den letzten Gipfel erreicht hat. Heute trifft das auf jeden Fall zu. Mit Gesprächen und Wortwitzen versuchen wir uns bei Laune zu halten. Rechts zieht bald schon der HäRiBo vorbei — der ngende Riegel Bodenmais.

Unmittelbar nachdem der Waldwiesbach unseren Weg gequert hat, verlassen wir die Forststraße und steigen — unerwartet steil — das Steinerne Gaßl hinab, bis wir auf der Hammerlochstraße landen. Auf dieser geht es nun weiter hinab. »Also schön langsam reicht es«, meine ich, als wir die Flanke des Mühlriegel (1080m) umrunden. Auch mein Begleiter scheint mittlerweile genug zu haben.

Zurück am Eck

Glücklicherweise dauert es jetzt nicht mehr allzu lang. Aus dem Tal zu unserer Linken dringt bereits der Verkehr der Glasstraße herauf. Kurz darauf lichtet sich der Wald, und zwischen einigen Bäumen blitzt nun endlich wieder der Berggasthof Eck (843m) hervor. Während auf der angrenzenden Weide ein paar Kühe muhen, lassen auf dem Parkplatz ein paar Biker ihre Motorräder aufröhren. Erschöpft trotten wir an ihnen vorbei zu unserem Auto. Dann machen wir uns — mit sechs Gipfeln im Gepäck — auf den Heimweg.

Das Gasthaus Eck im Bayerischen Wald.

Nach einem langen Hatscher erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt.

StationenDistanzDifferenzZeit
Eck
→ Mühlriegel ✝ +2,3 km 238 m ↑ 1 m ↓+0h 35m
→ Ödriegel ✝ +0,8 km 108 m ↑ 33 m ↓+0h 20m
→ Waldwiesmarterl +2,2 km 43 m ↑ 59 m ↓+0h 40m
→ Hängender Riegel ✝ +0,6 km 49 m ↑ 5 m ↓+0h 10m
→ Schwarzeck ✝ +0,8 km 66 m ↑ 11 m ↓+0h 25m
→ Reischflecksattel +1,2 km 8 m ↑104 m ↓+0h 25m
→ Heugstatt ✝ +0,9 km 120 m ↑ 0 m ↓+0h 25m
→ Enzian ✝ +1,6 km 74 m ↑ 50 m ↓+0h 35m
→ Enzianwiese +0,8 km 0 m ↑ 76 m ↓+0h 15m
→ Eck +11,6 km122 m ↑489 m ↓+2h 20m
Gesamt 22,8 km828 m ↑828 m ↓6h 10m