Übersicht
Dieser Bericht beschreibt unsere Donau-Wanderung von Regensburg nach Donaustauf. Von der Steinernen Brücke in Regensburg folgen wir dem Lauf der Donau über Stadtamhof, Schwabelweis und Tegernheim flussabwärts bis nach Donaustauf. Dort besichtigen wir nicht nur die schön gelegene Burgruine, sondern machen auch noch einen Abstecher zur eindrucksvollen Walhalla. Ein Spaziergang über die Regensburger Maidult rundet die Etappe ab.
Schwierigkeit: T2 • GPS-Route: Download • Wanderkarte: Kompass 160
»Jetzt muss ich mich aber sputen«, fluche ich beim Blick auf meine Uhr und lege einen Zahn zu. Wie so oft in letzter Zeit hatte mein Zug Verspätung, und so muss ich mich beeilen, um meine Freunde nicht allzu lange warten zu lassen. Für den heutigen Pfingstsonntag haben wir uns wieder einmal zu einer gemeinsamen Donau-Etappe verabredet. Diesmal soll es von Regensburg aus flussabwärts bis nach Donaustauf gehen, wo uns mit der Walhalla eine besondere Sehenswürdigkeit erwartet.
Nach einem flotten Marsch durch die noch verschlafene Altstadt, vorbei am Petersdom, der mal wieder halb in Baugerüste eingekleidet ist, erreiche ich um 07:30 Uhr die Steinerne Brücke. Unter dem Bogen des pfirsichfarbenen Brückturms wartet bereits mein üblicher Weggefährte und winkt mir zu. Ein paar Minuten später stößt auch unser dritter Mann — ein alter Schulfreund, der ebenfalls schon bei mehreren Donau-Etappen dabei war — zu uns hinzu. Wir begrüßen uns mit ein paar Handschlägen. Dann machen wir uns auch schon, ohne viel Zeit zu vergeuden, direkt ans Werk.
An der Steinernen Brücke in Regensburg beginnt unsere heutige Etappe.
Zum Auftakt geht es erst einmal über die Steinerne Brücke nach Norden. Schon seit fast 900 Jahren streckt sich das Regensburger Wahrzeichen über die reißende Donau mit all ihren Wirbeln und Strudeln. Wie einer meiner Begleiter bemerkt, scheint der Pegel des Flusses nach den regnerischen letzten Tagen etwas höher zu sein als normal. Rechterhand schwappt das Wasser bereits über die Westspitze der Mühlinsel. Nichtsdestotrotz entdecken wir genau dort einen einsamen Graureiher, der sich mitten in den Fluten der Pflege seines Gefieders widmet. Ein paar Meter weiter stolziert ein Weißstorch, ähnlich unbeeindruckt vom Wasserstand, mit schlaksigen Schritten über das feuchte Pflaster des Beschlächts.
Vorbei am bejahrten Bruckmandl, das heute Morgen noch in einen unerwartet dunklen Himmel blickt, erreichen wir nach ein paar Minuten Stadtamhof. Mit all seinen Cafés und Restaurants und Biergärten, und den schönen alten pastellfarbenen Häusern, die sich an der Hauptstraße aneinanderreihen, ist die kleine Insel ein beliebter Treffpunkt bei Jung und Alt. Auch ich war hier schon des Öfteren. Szenen geselliger Weihnachtsfeiern, sommerlicher Biergartenabende, und nervöser Rendezvous schießen mir durch den Kopf. Für eine Einkehr ist es heute allerdings noch zu früh, und so verlassen wir Stadtamhof nach einem kurzen Uferspaziergang bei nächster Gelegenheit auch schon wieder. Über den Grieser Steg geht es hinüber zum Unteren Wöhrd, wo uns jetzt ein schöner, grüner Uferpfad erwartet.
Ein seltener Anblick: Die Steinerne Brücke zeigt sich an diesem Morgen noch ohne Touristen.
Immer wieder blicken wir jetzt hinüber zum schmalen Nordarm der Donau, der linkerhand silberschimmernd vorüberzieht. Hinter dem Grieser Spitz verleibt er sich den aus dem Bayerischen Wald kommenden Regen ein und wächst dadurch ein gutes Stück an. Mit gemütlichem Tempo schlendern wir immer weiter flussabwärts, bis endlich die Nibelungenbrücke vor uns erscheint. Hier wechseln wir noch einmal die Flussseite — ein letztes Mal für heute.
Silbrig schimmernd zieht der Nordarm der Donau an Weichs vorüber.
Am Weichser Damm blüht bereits der Holunder, und das wilde Gehölz am Wegesrand explodiert vor Vogelgeflatter. Ein paar Minuten bleiben wir stehen und beobachten die kleinen Kleiber, die unbeeindruckt von der Schwerkraft die moosbewachsenen Stämme rauf und runter hopsen. Dann verlassen wir die ruhige Teerstraße für einen äußerst schmalen, ungepflegten Uferpfad. Im Gänsemarsch zwängen wir uns durch die schulterhohe Vegetation. Ich habe nicht den Eindruck, als würde dieser Weg oft begangen. Umso überraschter bin ich, als uns hier plötzlich eine ältere Frau mit Hund sowie zwei junge Jogger entgegenkommen. Gnädigerweise lassen sie uns passieren. Bei einem trüben Tümpel, auf dem ein paar Enten und Schwäne mit ihrem Nachwuchs treiben, löst sich endlich der Pfad wieder vom Ufer und führt uns zurück in gangbareres Terrain. Über den Deich am Schwabelweiser Weg verlassen wir jetzt Regensburg.
Mit der Schwabelweiser Brücke erreichen wir den Stadtrand.
In allerlei Gespräche vertieft vergehen die nächsten Kilometer wie im Flug. Der pastellgrüne Kirchturm von Schwabelweis zieht linkerhand als bloße Randnotiz vorüber. Wenig später passieren wir auch Tegernheim, ohne wirklich Notiz davon zu nehmen.
Unbewusst haben wir uns mittlerweile ein gutes Stück von der Donau entfernt. Und so biegen wir bei der nächsten Gelegenheit auf eine baumgesäumte Halballee ab, die uns wieder dem Ufer entgegenführt. Im Osten, hinter weiten Feldern und schmalen Hainen, blitzt nun zum ersten Mal die Walhalla auf einer dicht bewaldeten Hügelkuppe hervor. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sie für einen antiken griechischen Tempel halten.
Majestätisch thront die Walhalla auf dem Bräuberg bei Donaustauf.
Natürlich handelt es sich bei der Walhalla nicht wirklich um ein Relikt der alten Griechen. Der monumentale Säulenbau entstand, genau wie die Befreiungshalle bei Kelheim, erst viel später. Nach dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1806 und der schmachvollen Besatzung der deutschen Teilstaaten durch Napoleon wollte der bayerische König, Ludwig I., mit imposanten Gedenkstätten das Nationalgefühl wieder stärken. Zu diesem Zweck beauftragte er seinen Hofarchitekten Leo von Klenze, einen Tempel zu entwerfen, in dem die größten Persönlichkeiten »teutscher Zunge« geehrt werden sollten — und zwar unabhängig von Geschlecht oder gesellschaftlichem Rang. Klenze kam Ludwigs Wunsch nach und entwarf für den bayerischen König, der ein bekennender Verehrer Griechenlands war, einen klassizistischen Ringhallentempel im Stile des Parthenon in Athen. Im Jahr 1842, zum 29. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, wurde die Walhalla schließlich unter großem Andrang eröffnet.
Für den Moment müssen wir uns mit einem Blick aus der Ferne begnügen. Nachdem wir uns für ein paar Minuten zwischen Äckern und Wiesen aller Couleur hindurchgeschlängelt haben, stehen wir wieder am Donauufer. Ein paar kleine Boote, von denen manche augenscheinlich schon bessere Zeiten gesehen haben, liegen jenseits der dichten Böschung im Wasser. Dahinter, auf der anderen Seite des Flusses, blitzt aus einem grünen Dickicht das schmale Zwiebeltürmchen einer alten Kapelle hervor.
Im Blättergewirr auf der anderen Flussseite entdecken wir eine alte Kapelle.
Wie wir einem Schild am Wegesrand entnehmen, sah die Landschaft hier vor einigen Jahrzehnten noch ganz anders aus. In den 60ern und 70ern wurde hier noch im großen Stil Kies aus der Erde geholt. Um die klaffende Wunde, die der Kiesabbau hinterließ, zu tilgen, entschloss man sich schließlich, die Grube von der Donau fluten zu lassen. In der Flussmitte entstand dadurch eine langgezogene Insel, die heute von allerlei seltenen Vögeln bevölkert wird. Doch als wir uns bei der angrenzenden Vogelbeobachtungsstation durch die Uferböschung drängen, finden wir statt Pirolen und Blaukehlchen nur einen einsamen Angler vor, der gerade über seiner Ausrüstung brütet. Um eine peinliche Pause zu unterbrechen, erkundige ich mich, was man hier so fängt. »Puh, alles Mögliche«, antwortet der junge Mann und zuckt mit den Schultern. Dann fügt er hinzu: »Ich bin zum ersten Mal hier.« Um ihn nicht länger zu stören, wünschen wir ihm viel Erfolg und verabschieden uns.
Eingerahmt von malerischen Gersten- und Weizenfeldern, an deren Rändern Wildrosen und Mohnblumen wachsen, steuern wir nun schnurstracks auf Donaustauf zu. Auf einer kleinen grünen Kuppe direkt vor uns sind bereits die Ruinen der einstigen Burg zu erkennen. Ursprünglich angelegt, um die einfallenden Ungarn abzuwehren, erlebte sie im Mittelalter ihre Blüte. Auf die vorüberziehenden Flößer muss sie eindrucksvoll gewirkt haben.
Vor uns erhebt sich bereits die Burgruine von Donaustauf.
Das Donaustauf von damals existiert freilich nicht mehr. Es fiel, wie so Vieles, den Wirren des Dreißigjährigen Krieges zum Opfer. Nachdem Bayern zunächst größtenteils von den Verwüstungen des Krieges verschont geblieben war, umzingelten im Januar 1634 schwedische Truppen die hochgfelegene Festung. Die bayerische Besatzung der Burg wehrte sich heldenhaft und fügte den anstürmenden Schweden hohe Verluste zu. Manche Quellen sprechen gar von 300 gefallenen Belagerern. Vier Tage lang dauerten die Gefechte, dann ging den bayerischen Truppen allmählich das Pulver aus, und die Schweden schafften es, in die Burg vorzudringen. Aus Gnade ließen sie die verbliebenen bayerischen Musketiere unbescholten nach Ingolstadt abziehen. Dann sprengten sie die Donaustaufer Burg und brannten die Überreste nieder.
Bevor wir uns selbst ein Bild von den Ruinen machen können, liegen noch ein paar Kilometer vor uns. Am Rande eines Feldes passieren wir ein altes, gusseisernes Marterl, dann folgen wir einem mit allerlei Wildblumen bedeckten Deich zum Ortseingang. Kurz vor der Donaustaufer Brücke empfängt uns ein futuristisch anmutendes Stahlgebilde, das von einem hohen Sockel in den mittlerweile weiß-blauen Himmel gehoben wird. Es handelt sich dabei um eine Skulptur des Münchner Bildhauers Alf Lechner, der vor allem durch seine abstrakten Stahlarbeiten Bekanntheit erlangte. Kurz fragen wir uns, was das Bildnis wohl darstellen soll. Dann richten wir aber den Blick auch schon wieder voraus.
»Herzlich Willkommen in Donaustauf« begrüßt uns ein Schild am Straßenrand. Während ich meinen Blick schon zur Burgruine emporgerichtet habe, scheint sich einer meiner Begleiter mehr für ein Schild der hiesigen Bäckerei zu interessieren. Anscheinend hatte er heute noch kein Frühstück. Doch bevor er was zwischen die Zähne bekommt, machen wir uns erst einmal auf den Weg nach oben. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Über zahlreiche Stufen bringt uns der Albertus-Magnus-Weg zunächst zur Pfarrkirche St. Michael hinauf. Mich fasziniert vor allem der außergewöhnliche Turm des Gotteshauses. Im Gegensatz zu all den anderen Kirchtürmen, die wir bisher entlang der Donau gesehen haben, weist dieser einen oktogonalen Grundriss auf. Pastellgrüne Ziegel, die reißverschlussartig angeordnet sind, heben die acht Kanten des ansonsten weißgehaltenen Mauerwerks hervor. Abgeschlossen wird der Turmbau von einem schieferfarbenen Knickhelmdach, das ein golden schimmerndes Kreuz in den Himmel reckt.
Ungewöhnlich: Der Turm der Donaustaufer Kirche ist achteckig.
Ein Stückchen weiter den Hang hinauf erreichen wir dann auch schon die ersten Überreste der Burg. Nachdem wir die Ruinen eines Torbogens hinter uns gelassen haben, führt uns eine schattige Allee an der einstigen Burgmauer entlang zum Haupteingang. »Vor ungefähr 400 Jahren haben sie von hier heruntergeblickt und überall schwedische Truppen gesehen«, sage ich kopfschüttelnd. »Schon verrückt, wenn man sich das vorstellt«, fügt einer meiner Kameraden nachdenklich hinzu.
Über eine hölzerne Brücke, die den Burggraben überspannt, betreten wir ein paar Minuten später auch schon den Kern des alten Gemäuers. Während meine Mitstreiter und ich noch rätseln, ob und wann wir schon einmal hier oben waren, erreichen wir durch mehrere Torbögen den alten Vorhof. Eine große Gruppe Touristen hat sich hier ausgebreitet. Manche von ihnen studieren große Faltkarten, andere tragen Vermerke in ihre Notizbücher ein. Was genau das alles soll wissen wir nicht. Vielleicht ist das alles Teil einer Schnitzeljagd? Wir ziehen jedenfalls gleich weiter zum noch höher gelegenen Innenhof, der hinter einem weiteren Torbogen auf uns wartet. Die Aussicht ist grandios!
Im Westen blicken wir über Tegernheim und Schwabelweis hinweg bis nach Regensburg. Neben den beiden Spitzen des Doms lässt sich auch der Goldene Turm und der Salzstadel problemlos erkennen. Auch das Riesenrad der Maidult ist von hier oben zu sehen. Schöner noch ist allerdings der Blick nach Osten. Dort löst sich die Donau endlich von den letzten Hügeln des Bayerischen Waldes und strömt, mittlerweile als beachtlicher Fluss, durch die weite Ebene dem Horizont entgegen.
Von der Burgruine Donaustauf haben wir einen sagenhaften Blick über die Donau.
Der Morgen ist mittlerweile weit vorangeschritten. In der Hoffnung, dem großen Besucherandrang an der nicht mehr fernen Walhalla noch irgendwie zuvorkommen zu können, brechen wir also bald wieder auf. Nachdem wir uns wieder durch Donaustauf hinabgeschlängelt haben, vorbei an einer alten Nepomukstatue und einem Denkmal für die Gefallenen der Weltkriege, stehen wir wieder im unteren Dorf. Wie angekündigt gönnt sich hier mein Begleiter noch eine kleine Wegzehrung bei der Bäckerei. Ich spurte derweil noch kurz hinüber zur Raiffeisenbank auf der anderen Straßenseite, um etwas Bargeld abzuheben. Dann kehren wir Donaustauf den Rücken und ziehen unten am Deich weiter flussabwärts.
Auf einer grasigen Deichkrone nähern wir uns jetzt der Walhalla.
Gegen 11:20 Uhr erreichen wir die Schiffsanlegestelle am Fuße der Walhalla. Jetzt haben wir es fast geschafft! Zielstrebig folgen wir einem schattigen Weg durch eine Unterführung hindurch, dann baut sich auch schon der kolossale weiße Säulentempel am Hang über uns auf. Doch als wir den Blick nach oben richten, wird klar, dass wir zu spät gekommen sind. Eine regelrechte Karawane aus Touristen zieht bereits vor unseren Augen die unzähligen Stufen hinauf. Dass wir hier nicht für uns sein würden, war klar. Aber mit solch einem Menschenandrang hatten wir nicht gerechnet.
Der eindrucksvolle Ruhmestempel hat heute Morgen wieder viele Besucher angelockt.
Resigniert ordnen wir uns in die Karawane ein und steigen ebenfalls Stufe um Stufe den Hang empor. Ein Schild am Wegesrand ruft dabei die Vorbeiziehenden zur Vorsicht, denn vor allem auf den drei Meter hohen Terrassen, auf denen die Walhalla fußt, kommt es immer wieder zu schweren, teils tödlichen, Stürzen. Ich persönlich finde es gut, dass man hier endlich Warnschilder angebracht hat, denn im Jahr 2003 wurden die Terrassen auch meinem Großonkel zum Verhängnis.
Bevor wir die allerletzten Stufen erklimmen, halten wir auf dem letzten großen Treppenabsatz kurz inne, um das Tympanon am Südgiebel des Tempels zu studieren. Die schön gearbeiteten Marmorskulpturen sollen die Wiederherstellung Deutschlands nach der Befreiung von Napoleon darstellen. In der Mitte der Szene thront Germania mit einem Kranz aus Eichenzweigen im gewellten Haar und einem gesenkten Schwert im Schoß. Um sie scharen sich voll Huldigung halbnackte Krieger und in Stolen gekleidete Frauenfiguren, welche die siegreichen Teilstaaten sowie die rückeroberten Festungen verkörpern sollen. Links und rechts schließen der Rhein und die Mosel als zwei liegende, auf Amphoren gestützte Figuren die Szene ab.
Kurz nachdem wir auch die letzten Stufen erklommen haben, finden wir uns im Gedränge vor dem Eingangsbereich wieder. Es ist eine bunte Menge, die sich hier versammelt hat. Rentnerinnen reihen sich neben junge Pärchen und großgewachsene Biker. Tatsächlich kommen viele Besucher nur wegen der Aussicht herauf, doch wer auch nur einen Hauch Interesse an Geschichte, Bildhauerei, oder Architektur hat, sollte einen Blick ins Innere werfen. Als wir uns endlich bis zum Kassenhäuschen durchgemogelt haben, kaufen wir uns drei Tickets (4,50 Euro pro Person) und treten in die heiligen Hallen.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in der Walhalla war. Ich muss noch ein kleiner Junge gewesen sein. Doch sicherlich war ich damals nicht so beeindruckt, wie ich es heute bin. Der Blick über den prunkvollen Saal raubt mir fast den Atem. Es besteht kein Zweifel: ohne König Ludwig wäre Bayern aus kultureller Sicht um Einiges ärmer.
Links und rechts, entlang der rosa Marmorwände, sind Büsten der größten deutsch-sprachigen Persönlichkeiten ausgestellt. Es sind viele bekannte Namen darunter: Schriftsteller wie Goethe, Schiller, und Eichendorff, Komponisten wie Bach, Beethoven, Mozart, und Wagner, Künstler wie Dürer, Rubens, und Kollwitz, Wissenschaftler wie Kepler, Röntgen, und Einstein, sowie Feldherren und Staatsoberhäupter, von Wallenstein bis Bismarck, von Katharina der Großen bis Konrad Adenauer. Ein besonderer Ehrenplatz neben dem Eingangsportal kommt Sophie Scholl als Widerstandskämpferin im Dritten Reich zu.
Zahlreiche Marmorbüsten erinnern in der Walhalla an wichtige Figuren der deutschen Geschichte.
Arrangiert sind die mal mehr, mal weniger fein gearbeiteten Marmorbüsten in sechs Gruppen, die sich jeweils um eine große geflügelte Frauenskulptur scharen. Zunächst rätseln wir noch, was diese engelhaften Gestalten wohl symbolisieren könnten. Erst im Nachhinein lernen wir, dass es sich dabei um römische Siegesgöttinnen handelt, die verschiedene Emotionen des Triumphs darstellen sollen. Die eine Viktoria scheint gerade im Begriff zu sein, mit ihrer rechten Hand einen Lorbeerkranz in die Menge zu werfen, während sich eine andere einen Kranz aus Eichenlaub vom Haupt nimmt. Eine weitere, deren Stola leicht verrutscht ist und somit die linke Brust entblößt, scheint dem Vorübergehenden zwei Siegeskränze reichen zu wollen. So interessant die Büsten der großen Deutschen auch sein mögen, umso mehr fasziniert mich der Detailreichtum der Viktorien. Vor allem bei jener Göttin, die ganz offensichtlich die Trauer verkörpern soll und einen Eichenzweig in ihrer rechten Hand hält, bleibe ich lange stehen. Jedes einzelne Blatt, jede einzelne Eichel wurde fein säuberlich von Menschenhand aus dem Stein herausgearbeitet. Es ist nahezu unvorstellbar, dass dies alles mal nicht mehr als ein großer Block Carrara-Marmor war.
Besonders beeindruckend sind die engelhaften Viktorien des Bildhauers Christian Daniel Rauch.
Am Ende des Saales, vor dem Opisthodom, gesellt sich seit 1890 auch der Bauherr selbst zum Reigen der Geehrten. Überlebensgroß überblickt König Ludwig I., gekleidet wie ein römischer Kaiser und mit einem Lorbeerkranz im Haar, die Halle der Toten. Ganz in bayerischer Manier stützen dabei zwei Löwen die Armlehnen seines Throns.
Auch das Obergeschoss, das man leider nur von unten bestaunen kann, präsentiert sich prächtig geschmückt. 64 Gedenktafeln, für all jene Persönlichkeiten, von denen man nicht weiß, wie sie ausgesehen haben mögen, zieren dort die Wände. Darunter ist unter anderem Arminius, der sich mit der Varusschlacht unsterblich machte, die brukterische Seherin Veleda, die Gebrüder Hengest und Horsa, die mit den Angeln und Jüten das Germanische nach Großbritannien brachten, die frühen Frankenkönige von Chlodwig bis zu Karl dem Großen, und begabte mittelhochdeutsche Wortschmiede wie Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, und der anonyme Dichter des Nibelungenlieds.
Das vergoldete Dach des Saales wird von 14 Walküren, mit weiß-blauen Roben und einem goldenen Eichenkranz auf dem Haupt, in klassischer Karyatiden-Manier in die Höhe gestemmt. Genauso wie im Außenbereich, sind auch hier im Innern des Tempels die Giebel des Gebälks reichhaltig verziert — diesmal mit Gestalten aus dem nordischen Sagenkreis. Unter anderem zeigen sich dort, im Schatten eines Baumes, drei händchenhaltende Jungfrauen. Es handelt sich dabei um die drei Nornen, die unter der Weltenesche Yggdrasil Wasser aus der Schicksalsquelle schöpfen. Von links stürzt der Wolf Fenris, von rechts die Midgardschlange drohend auf sie zu und deuten somit den Untergang der Welt an. In einer anderen Szene ist Göttervater Odin mit seiner Gattin Frigg zu sehen, zu denen sich auch noch andere germanische Götter gesellen. Bragg, der Gott der Dichtkunst, klimpert auf seiner Harfe herum, während seine Frau Idun, ihrerseits die Göttin der Schönheit, mit ihrer Hand durch ihr langes glattes Haar fährt, und Thor, der Donnergott, reckt drohend seinen Hammer Mjölnir in die Luft.
Weiß-blaue Walküren tragen das reichlich verzierte Dach der Walhalla.
Es gäbe noch viel mehr hier im Innern der Walhalla zu entdecken, doch man bräuchte wohl mehrere Stunden, um jedes Detail aufzusaugen und zu verarbeiten. Für heute reicht es.
Nachdem wir wieder im Freien sind, schlendern wir durch die rechte Kolonnade noch zur Nordseite. Dort gibt es, genau wie auf der Südseite, auch noch einmal ein detailliertes Tympanon am Giebel des Daches zu bewundern. Diesmal stellen die schön gearbeiteten Marmorfiguren die Schlacht im Teutoburger Wald nach. Angeführt vom Cheruskerfürsten Arminius, der mit seinem Flügelhelm die Szene dominiert, stürzen von links die Germanen, bewaffnet mit Äxten, Schwertern, und Keulen, aus dem Unterholz hervor. Den kriegerischen Jünglingen folgen ein Barde sowie eine Seherin. Abgeschlossen wird der germanische Tross durch Arminius’ Braut Thusnelda, die sich kümmernd über ihren sterbenden Schwiegervater Segimer beugt. In der rechten Hälfte der Szene hingegen sehen wir die römischen Truppen. Angstvoll weichen die überraschten Soldaten und Fahnenträger zurück. Mitten unter ihnen befindet sich auch der Feldherr Varus, der sich bereits gewahr der vernichtenden Niederlage einen Dolch in die eigene Brust gestoßen hat.
Die Szene am Nordgiebel stellt die Schlacht im Teutoburger Wald dar.
Unter dem lauten Brummen zweier alter Doppeldeckerflugzeuge, die so aussehen, als wären sie noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, lösen wir uns schließlich von der Walhalla und ziehen weiter. Kurz schlendern wir noch zum Kiosk hinüber, um dort einen Blick auf die Speisekarte zu werfen, dann steigen wir, steiler als nötig, über einen Schleichweg wieder zum Fuße des Hügels hinab. Kurz halten wir dort noch Ausschau nach den berühmten Walhalla-Schafen, die oft auf der Wiese unterhalb des Tempels grasen — immerhin kennt unser Schulfreund den Schäfer — doch leider ist heute nichts von den flauschigen Gesellen zu sehen. Und somit wird es langsam Zeit für uns zu gehen.
Gerne würden wir per Schiff zurück nach Regensburg fahren, doch leider haben wir die letzte Fahrt um Haaresbreite verpasst. Da das nächste Schiff erst in zwei Stunden ablegt, müssen wir uns also wohl oder übel mit einer gewöhnlichen Busfahrt anfreunden. Glücklicherweise müssen wir in Donaustauf nicht allzu lange warten, bis wir aufgesammelt werden. Zurück in Regensburg schlendern wir noch hinüber zur Maidult, wo wir mit einer Bratwurstsemmel mit süßem Senf und einer Fischsemmel uns ein wohlverdientes Mittagessen gönnen.
Ein Besuch der Regensburger Maidult rundet die heutige Donau-Etappe ab.
Stationen | Distanz | Differenz | Zeit | |
---|---|---|---|---|
Regensburg (Steinerne Brücke) | ||||
Schwabelweis | +4,7 km | 12m ↑ | 17m ↓ | +1h 05m |
Tegernheim | +2,3 km | 3m ↑ | 3m ↓ | +0h 30m |
Donaustauf (Burg) | +6,3 km | 96m ↑ | 4m ↓ | +1h 30m |
Walhalla | +2,6 km | 87m ↑ | 91m ↓ | +0h 30m |
Donaustauf (Wörther Str.) | +1,1 km | 0m ↑ | 80m ↓ | +0h 15m |
Gesamt | 17,0 km | 216m ↑ | 213m ↓ | 3h 50m |