Übersicht
Dieser Bericht beschreibt unsere Donau-Wanderung von Neuburg an der Donau nach Marxheim. Nach einem Rundgang durch das sehenswerte Neuburger Schloss brechen wir in den Abendstunden auf nach Westen. Zwei Exkurse bringen uns zu den Ruinen der Alten Burg bei Oberhausen sowie zum Aussichtspunkt am Finkenstein, ehe wir mit dem Antoniberg bei Stepperg unser Tagesziel erreichen. Bei strömenden Regen setzen wir am nächsten Morgen unseren Marsch flussaufwärts fort. Dieser führt uns nun über Stepperg und Bertoldsheim bis zur Lechmündung bei Marxheim.
Schwierigkeit: T2 • GPS-Route: Download • Wanderkarte: Kompass 161
Als mich mein Kamerad spätnachmittags am Neuburger Bahnhof empfängt, liegt die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm über der Stadt. Momentan hält das Wetter zwar noch aus, doch im Laufe des Abends soll von Osten her eine kräftige Regenfront heranrücken — ein Ausläufer des Vb-Tiefs, das in den letzten Tagen große Teile von Polen und Tschechien verwüstet hat. Und ausgerechnet dieses Wochenende haben wir uns für unsere erste Zelt-Tour an der Donau ausgesucht…
Nichtsdestoweniger machen wir uns gegen 17 Uhr mit prall gefüllten Rucksäcken auf den Weg. Über die bereits größtenteils verwaisten Straßen und Gassen steuern wir das Neuburger Schloss im Herzen der Altstadt an. Das letzte Mal, als wir hier waren, haben wir es nur von außen bewundert. Doch mittlerweile weiß ich, dank eines Familienausflugs, dass sich auch ein Blick ins Innere des prächtigen Renaissance-Baus lohnt.
Als wir den Eingang an der Residenzstraße erreichen, erwartet uns eine kleine Überraschung. Ein edler purpurner Teppich zieht sich heute durch den dunklen Durchgang, der in den Innenhof des Schlosses führt, und einige Scheinwerfer tünchen die Halbsäulen entlang der Wände in ein sattes Rot und Blau. Am anderen Ende des Ganges wartet eine fein gekleidete junge Frau an einem Tisch. So nobel sah es hier das letzte Mal definitiv nicht aus! Ein Plakataufsteller rechts vor dem Torbogen bringt schließlich Licht ins Dunkel: dieses Wochenende findet die »Mut zum Hut«-Messe im Neuburger Schloss statt!
Unsere Wanderung beginnt mit einem Rundgang durch das Neuburger Schloss.
Nach einem kurzen Missverständnis erklären wir der jungen Frau an der Kasse, dass wir nicht wegen der Messe hier sind — auch wenn ich rein zufällig meinen altgedienten Stetson auf dem Kopf habe — sondern dass wir eigentlich nur das Schloss besichtigen wollen. Freundlicherweise lässt sie uns gewähren. Als wir eine Minute später an der Kasse des Schlossmuseums stehen, gibt es gleich wieder Erklärungsbedarf. »Nein, wir sind keine Besucher der Messe, sondern wollen einfach ganz normal das Schloss besichtigen.« Dann läuft alles aber doch ganz reibungslos. Während der nette Herr an der Kasse unsere beiden Tickets ausdruckt, führt uns seine Kollegin zu einem großen Gitterkasten, in dem wir unsere klobigen Rucksäcke zwischenlagern können. Dann fahren wir mit dem Aufzug erst einmal ins Obergeschoss.
Die Zimmer entlang des Ganges bersten mit Artefakten: Jahrhundertealte Holzschnitzereien, Teppiche und Altarvorsätze mit biblischen Motiven, Stickereien der Ursulinen, imposante Messgewänder, antike Bücher, Waffen, und Möbel. Besonders beeindruckend sind die gigantischen Bildteppiche, die das einstige Herrscherehepaar in Lebensgröße zeigen. Links posiert der stolze Pfalzgraf Ottheinrich in einer üppigen grünen Landschaft, eingerahmt von einem sitzenden Hirsch und zwei spielenden Löwen. Rechts steht seine Frau, Pfalzgräfin Susanna, zusammen mit einem Reh und einem Hirsch in einer bergigen Szenerie. Nicht minder imposant ist die riesige Tapisserie, die Ottheinrichs Pilgerfahrt ins Heilige Land darstellt. Aus heutiger Sicht kann man kaum nachvollziehen, wie viel Zeit, Geld, und Kunstfertigkeit in solche Werke flossen.
Ein imposanter Bildteppich zeigt den einstigen Schlossherren Ottheinrich in Lebensgröße.
Durch eine Holztüre gelangen wir in den Laubengang, der uns hoch über dem Innenhof an den schönen Sgraffito-Arbeiten auf der Fassade des Westflügels vorbeiführt. In feinster Handarbeit wurden hier in den 1560er Jahren biblische Szenen in den Putz gekratzt. Im Nordflügel werfen wir einen kurzen Blick auf den Rittersaal, dann machen wir nochmal kehrt, um auch die Flämische Barockgalerie zu besuchen.
Für mich ist es der interessanteste Teil des Museums. Die ersten Zimmer sind gefüllt mit detailreichen Kupferstichen. Dann kommen die Gemälde. Porträts und Jagdszenen, Landschaften und Stillleben, mythologische und religiöse Motive — hier wird alles abgedeckt. Da ist David Teniers »Der Jahrmarkt vor der Kirche S. Maria dell’Impruneta«, auf dem über 1200 Figuren zu sehen sind; die spektakuläre »Ansicht einer Gemäldegalerie«, bei der Wilhelm Schubert van Ehrenberg und seine Kollaborateure Gemälde im Gemälde darstellen; Gérard Douffets großes Historienwerk »Papst Nicolaus V. besucht das Grab des Heiligen Franz von Assisi«, das von einem Reigen kryptischer Figuren bevölkert wird; Frans Franckens allegorischer »Kampf der Zeit gegen den Tod«; Jan Brueghels idyllische »Landschaft mit Dorfschenke«; Thomas Franckens bewegendes »Martyrium der hl. Ursula«; Abraham Janssens’ »Apotheose des Aeneas«, und vieles mehr. Die Hauptattraktionen sind allerdings zwei riesige Altargemälde von Peter Paul Rubens, die einst in der Neuburger Liebfrauenkirche hingen. Eines zeigt die »Anbetung der Hirten«, das andere die »Ausgießung des Heiligen Geistes«. Man könnte Stunden in der Galerie zubringen, um die Gemälde zu studieren.
Die Flämische Barockgalerie lädt zum Verweilen ein.
Als wir ins Erdgeschoss zurückkehren, um unsere Rucksäcke wieder aufzusammeln, fragt uns die freundlich Museumsmitarbeiterin, ob wir noch die Schlossgrotten besichtigen wollen. Da sagen wir natürlich nicht nein. Sogleich führt sie uns durch ein Zimmer, in dem ein paar Frauen mit bunten Hüten zwischen Kleiderständern herumflanieren, nach draußen. Dann lässt sie uns allein. Mein Begleiter öffnet ein Metallgitter, und wir treten ein in die große Grottenhalle, die mit grauem, grobem Tuffstein ausgekleidet ist. Aus einer Wandnische überblickt Neptun, mit Dreizack in den Händen und den Fuß auf einen Fisch gestützt, das alte Gewölbe. Über seinem Haupt prangt das Wappen von Pfalz-Neuburg und ein Schriftzug, der an den Bau der Grotten im Jahr 1667 durch Herzog Philipp Wilhelm Palatinus erinnert. Ein Durchgang bringt uns im Anschluss in die imposante blaue Grotte, die von vier, aus Muscheln geformten, Nymphen bevölkert wird. Über ihren Köpfen spannen sich die Tierkreiszeichen — ebenfalls aus Muscheln geformt. Nachdem wir auch die braun gehaltene Höhle des Pan sowie die Eishöhle, in der Tausende von gläsernen Stalaktiten vom Gewölbe hängen, besichtigt haben, kehren wir zurück ins Museum und sammeln unsere Rucksäcke auf.
Im Außenbereich ließ Herzog Philipp Wilhelm von der Pfalz einige schöne Grotten anlegen.
Es kostet etwas Überwindung, den Komfort des Schlosses zurückzulassen — vor allem, an einem Abend wie heute. Ein kühler Herbstwind fegt durch die leeren Gassen, und die düsteren Wolken am Horizont versprechen nichts Gutes. Wir machen uns sogleich auf den Weg, um im letzten Tageslicht noch möglichst weit zu kommen. Eine knappe Stunde haben wir noch bis zur Dämmerung.
Über die verwaiste Uferpromenade und den einsamen Nachtbergweg verlassen wir Neuburg. Im Schatten wuchtiger Bäume folgen wir der Donau flussaufwärts, bis uns eine rot-weiße Barrikade, die vor Hochwasserschäden warnt, den Weg versperrt. Warum genau erschließt sich uns nicht — denn der nächste Wegabschnitt ist problemlos zu begehen.
Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir die Abzweigung zur Alten Burg. Irgendwo im Wald über uns sollen sich die Überreste des mittelalterlichen Gemäuers befinden. Doch der Weg dorthin stellt sich als weitaus anspruchsvoller heraus als angenommen. Nachdem zunächst einige Baumstämme den Weg blockieren, müssen wir einen steilen, rutschigen Hang hinauf. Jeder Schritt will hier gut gesetzt sein. Erst nach ein paar Minuten wird das Gelände wieder freundlicher und flacht ab. Dann führt uns ein schmaler Pfad zu den gut versteckten Ruinen. Zwischen Bäumen und Sträuchern ragen noch Teile des massiven Mauerwerks hervor. Heute sieht die Burg nicht mehr nach viel aus, aber vor vielen Jahrhunderten verbrachten hier tatsächlich Menschen ihr Leben. Ottonen, Pappenheimer, und Wittelsbacher residierten hier mit ihren Untergebenen, aßen und tranken, lachten und weinten, lebten und starben, bis die Veste schließlich im Jahr 1386 zerstört wurde.
Langsam verschlingt der Wald die Ruinen der Alten Burg in der Nähe von Neuburg.
Hoch konzentriert steigen wir den steilen Hang wieder hinab und kehren zurück zur Donau, wo wir direkt im Anschluss das Kraftwerk Bittenbrunn erreichen. Am Horizont, hinter dem Stausee, verabschiedet sich der Tag bereits — ein letztes rotes Aufflackern bevor die Nacht den Regen bringt. Tatsächlich haben wir die Donau kaum überquert, als wir schon die ersten Tropfen abbekommen. Es war nur eine Frage der Zeit. Mein Begleiter schlüpft in seinen altgedienten Poncho, ich ziehe mir die Kapuze meiner Regenjacke über. Dann geht es auf dem einsamen Deichweg weiter flussaufwärts.
Der Tag verabschiedet sich mit einem Farbschauspiel hinter der Donau.
Allmählich verblassen die Farben, die Grautöne nehmen überhand. Als silbriger Strom zieht die Donau zu unserer Linken vorüber, und die Bäume am Ufer recken ihre schwarzen Arme in die Nacht. Außer dem Prasseln des Regens ist nichts zu hören. Keine Vögel, keine Stimmen. Wir sind völlig allein an diesem archaischen Abend.
Als wir die Abzweigung zum Finkenstein erreichen, ist das letzte Dämmerlicht fast weg. Aber wenn wir uns beeilen, können wir von dem hochgelegenen Aussichtspunkt vielleicht noch einen guten Blick über die Donau erhaschen. Zielstrebig überqueren wir den rauschenden Nebenfluss zu unserer Rechten und verschwinden im Wald. Während wir auf der Forststraße noch problemlos vorankommen, ist auf dem schmalen Waldpfad, der folgt, kaum noch etwas zu erkennen. Zumindest ist der Weg schön zu gehen! Es scheint keine Stolperfallen zu geben, und so jagen wir mit flottem Tempo den Hügel hinauf, bis wir den Aussichtspunkt erreichen.
Hinter einem nur schemenhaft zu erkennenden Metallkreuz schlängelt sich die bleierne Donau durch die Nacht. Ein Stück dahinter, umschlossen von dunklen Wäldern, blitzen die hell erleuchteten Straßenzüge von Oberhausen hervor. Auf einem abgelegenen Feldweg, der zum Ufer führt, fressen sich die grellen Scheinwerfen eines Autos durch die Nacht. Wir belassen es bei einem schnellen Foto und treten sogleich den Rückweg an — denn die Lichtverhältnisse im Wald werden immer schlechter. Gerade noch so schaffen wir es ohne Stirnlampen zurück an die Donau.
Im letzten Dämmerlicht erreichen wir den Aussichtspunkt am Finkenstein.
Es nieselt noch immer, und ein bitterkalter Wind bläst durch das Tal. Hier oben auf der Deichkrone sind wir den Elementen schutzlos ausgeliefert, und bald schon kriechen die Kälte und die Nässe durch meine Regenklamotten. Meinem Begleiter scheint es ähnlich zu ergehen. Doch bei einem angeregten Gespräch bringen wir Kilometer um Kilometer hinter uns. Nur hie und da durchbricht mal das Geschnatter einiger Gänse die Ruhe der Nacht. Aus den Fenstern eines Gebäudes, das einsam und abgelegen am Wegesrand steht, dringt ein schwacher Lichtschein. Die Sehnsucht nach einem Unterschlupf wächst. Immerhin der Regen hat für den Moment aufgehört.
Kurze Zeit später erscheinen rechterhand in den Hügeln die ersten Lichter einer Siedlung. »Stepperg!« In der Dunkelheit kaum zu erkennen, erhebt sich vor uns bereits der Antoniberg. Wir lösen uns vom Donauufer und ersteigen den sanften Hang über eine Wiese. Oben auf der Kuppe, irgendwo zwischen den dunklen Silhouetten der Bäume, müssen zwei alte Kapellen stehen. Nach kurzer Suche entdecken wir sie hinter einigen Eichen und Linden.
Unsere Hoffnung auf kirchliches Obdach erfüllen sich nicht. Sowohl die Gruftkapelle als auch die Antoniuskapelle sind verriegelt. Bei Letzterer stoßen wir sogar auf einen unmißverständlichen Aushang an der Pforte: »Einbruch sinnlos — Kirche total ausgeraubt«. Durchnässt und frierend machen wir uns auf die Suche nach einem Platz für unser Zelt. Bald schon finden wir eine geeignete Stelle.
Kaum haben wir die Rucksäcke abgesetzt, fängt es wieder an zu regnen, und so beeilen wir uns mit dem Aufbau des Zeltes. Als es endlich steht, hechten wir sogleich mit kompletter Montur ins Innere. Nachdem wir die Isomatten aufgeblasen und die nassen Klamotten ausgezogen haben, verschwinden wir in die warmen Schlafsäcke. Was für eine Wohltat, endlich dem Regen und der Kälte entkommen zu sein! Ein kleines Festmahl besiegelt den Tag. Mit Käsebrezen, Semmeln, Äpfeln, Kabanossi, Erdnüssen, und Gummibärchen lassen wir den Abend gemütlich ausklingen. »Es fehlt nur noch eine heiße Schokolade und ein gutes Buch«, sage ich zu meinem Begleiter. Unter dem endlosen Trommeln des Regens schlafen wir schließlich ein.
Nach einem regnerischen Schlussspurt lassen wir den Tag gemütlich im Zelt ausklingen.
Pünktlich um sechs Uhr morgens reißt uns der Wecker aus den Träumen. Noch immer prasselt der Regen unablässig gegen die Zeltplane. Richtig große Lust aufs Wandern kommt da nicht auf, und so lassen wir uns beim Frühstück erst einmal jede Menge Zeit. Unter den Klängen von »Hotel California« packen wir dann langsam wieder unsere Rucksäcke. »You can check out any time you like, but you can never leave.« Eine treffende Zeile an einem Morgen wie heute. Nachdem wir wieder in die Stiefel und die Regenjacken geschlüpft sind, beißen wir in den sauren Apfel und wagen uns nach draußen. Der Boden ist vom nächtlichen Regen mittlerweile völlig durchtränkt und das Wasser steht auf der Wiese. Mit routinierten Griffen bauen wir das Zelt in Windeseile ab und verstauen es. Dann nehmen wir uns ein paar Minuten, um den Antoniberg bei Tageslicht zu erkunden.
Von der Dachrinne der Antoniuskapelle sprudelt noch immer das Regenwasser und flutet die darunterliegende Wiese. Wir drehen eine Runde um den rechtwinkligen Bau mit der Zwiebelhaube und entdecken dabei, in einer Nische über dem Eingang, auch den Namensgeber der Kapelle. Ganz klassisch mit Lilie und Jesuskind im Arm begrüßt der Heilige Antonius von Padua die Vorbeikommenden.
Direkt hinter dem Gebäude, wo die grüne Flanke des Antoniberg zur Donau hinabfällt, erzählt eine Infotafel von der alten Römerbrücke, die hier vor etwa 1900 Jahren gestanden hat und damals Augusta Vindelicum mit den Kastellen und Siedlungen entlang des Rätischen Limes verband. Wie wir dem Text entnehmen, sollen noch heute letzte Reste des Bauwerks im schlammigen Bett der Donau ruhen.
Doch am meisten fasziniert mich die grau-weiße Gruftkapelle. Mit ihren neugotischen Fialen und Maßwerkornamenten und Spitzbogenfenstern versprüht sie fast einen viktorianischen Charme — vor allem an so einem einsamen, regnerischen Morgen wie diesem. Erbaut wurde sie als letzte Ruhestätte für Maria Leopoldine von Österreich-Este — eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Als ihr erster Mann, der 52 Jahre ältere Kurfürst Karl-Theodor von Pfalz-Bayern, im Sterben lag, war sie es, die persönlich dafür sorgte, dass Bayern nicht an die Österreicher fiel, sondern als eigenständiges Königreich erhalten blieb. In den Folgejahren baute sie durch unternehmerisches Geschick ein Brauerei-Imperium auf, verdiente Millionen mit Börsengeschäften, und verkehrte mit Gesandten und Diplomaten, um immer gut über die Geschehnisse im In- und Ausland informiert zu sein. König Ludwig I. schätzte ihren politischen Rat, genauso wie der ehemalige bayerische Staatsminister Montgelas. Doch Maria Leopoldine genoss auch das süße Leben. In München feierte sie rauschende Bälle und Feste, und auch die ein oder andere Affäre wird ihr nachgesagt. Ihr außergewöhnliches Leben endete schließlich am 23. Juni 1848 mit einem tragischen Kutschunfall.
Im Morgengrauen besuchen wir die Gruftkapelle von Maria Leopoldine am Antoniberg.
Nach diesem kleinen Rundgang machen wir uns auf den Weg hinab ins nahe Stepperg, wo Maria Leopoldine nach dem Tod ihres ersten Mannes ein kleines Landgut erwarb. Gemeinsam mit ihrem zweiten Mann, Ludwig Graf Arco, und ihren beiden Söhnen verbrachte sie hier viele Jahre. Das Schloss, das damals noch direkt am Donauufer lag, steht noch heute. Nach einem kurzen Marsch über die Robinien-Allee erreichen wir den pastellgelben Prachtbau. Zwei Seitenflügel, aus denen Zwiebeltürme emporschießen, flankieren den Haupttrakt, der hinter dem Torbogen hervorragt. Mein Begleiter lenkt meinen Blick aber auf einen der Kamine, wo eine Storchenfamilie ihr Nest zurückgelassen hat.
Im strömenden Regen erreichen wir Schloss Stepperg.
Obwohl der Tag gerade erst begonnen hat, dringt die Nässe bereits wieder durch unsere Klamotten. Noch immer schüttet es wie aus Eimern, und so flüchten wir uns erst einmal beim Friedhof gegenüber unter ein Vordach. Dabei ist klar, dass wir dem Regen heute nicht entkommen werden. Notdürftig versuche ich noch, mit den mittlerweile feuchten Taschentüchern aus meiner Brusttasche meine Kamera und meine Brille zu trocknen, doch es ist ein Kampf gegen Windmühlen.
Ein paar Minuten später verlassen wir Stepperg über die Brücke an der Ussel. Zwischen Wiesen und Feldern ziehen wir nach Westen, bis von der Ortschaft bald nur noch der Kirchturm und die Zwiebelhauben des Schlosses zu sehen sind. Vor den Bäumen am Horizont stapft ein einsamer Silberreiher verloren durch das nasse Gras. Dann zweigen wir nach links ab und kehren über den Hatzenhofer Weiher und die Furt am rauschenden Dorfbach zurück ans Ufer der Donau.
Wären wir nicht schon von Kopf bis Fuß durchnässt, wäre der nächste Wegabschnitt ein Genuss. In schöner Abgeschiedenheit geht es im Schatten riesiger, alter Bäume direkt am Ufer entlang. Eine friedliche Ruhe liegt über dem Wäldchen am Wegesrand. Nur der stete Klang des Regens ist aus dem Blätterdach zu hören. Feiner Sand, den vermutlich das große Hochwasser im Juni angespült hat, bedeckt den einsamen Uferweg, und ein paar stattliche Vögel, die wir aus der Ferne allerdings nicht bestimmen können, gleiten majestätisch über die Donau hinweg.
Durch malerische Donauauen ziehen wir weiter flussaufwärts.
Kurz vor neun Uhr erreichen wir das Kraftwerk Bertoldsheim. Einen Moment lang überlegen wir, ob wir nicht einen Umweg zum Bäcker in der Ortsmitte machen sollen, aber bei der heutigen Witterung wollen wir den Weg lieber doch so kurz wie möglich halten.
Wellen und Wogen rollen über den gigantischen See, der sich hinter der Staumauer ausbreitet, so dass man ihn fast für ein kleines Meer halten könnte. Auf der exponierten Deichkrone, die sich an die Donau schmiegt, ziehen wir weiter nach Westen. Noch immer ist es windig und kalt und nass. Während auf einem Stück Treibholz inmitten des Sees drei Kormorane dem ungemütlichen Wetter trotzen, haben sich die Rauchschwalben unter das Dach eines Unterschlupfes am Wegesrand geflüchtet und kauern dort eng an eng zusammen. Verdenken kann man es ihnen nicht.
Hinter dem Kraftwerk Bertoldsheim wächst die Donau zu einem stattlichen See heran.
Stur stapfen wir im strömenden Regen weiter, Kilometer um Kilometer, bis mit der Donaubrücke bei Marxheim das Ende der Etappe endlich ins Blickfeld rückt. Als kurz darauf die ersten Giebel von Bruck auftauchen, kommt uns überraschendweise sogar eine Frau mit ihren drei Hunden entgegen. Sie ist die erste Menschenseele, die uns begegnet, seit wir gestern Abend in Neuburg losgelaufen sind. Kurz nach zehn Uhr haben wir das Ziel unserer Wanderung endlich erreicht.
Ein einsamer Deichweg führt uns in Richtung Marxheim.
Ein kleines Stück flussaufwärts sehen wir bereits die Mündung des Lechs, der nach einer langen Odyssee hier sein Ende findet. Silbrig schimmernd strömt er aus dem Wald am anderen Ufer hervor. In Deutschland führen nur der Inn und die Isar unserer Donau mehr Wasser zu. Aber auch dialektal markiert die Mündung einen bedeutenden Meilenstein — denn jenseits des Lechs wird nicht mehr Bairisch, sondern Schwäbisch gesprochen. Ein kleines Stück gehen wir noch am Ufer entlang, um einen besseren Blick auf den Zusammenfluss der beiden Flüsse zu erhaschen, dann flüchten wir uns zum Heiligen Nepomuk unter den Pavillon am Brückenkopf.
Die Lechmündung bei Marxheim markiert das Ende der heutigen Wanderung.
Mit dem Wandern sind wir für heute fertig. Jetzt müssen wir nur noch schauen, wie wir wieder zurück nach Neuburg kommen — denn mit dem ÖPNV sieht es hier draußen zappenduster aus. Verzweifelt versucht mein Begleiter eine Taxifahrt in die nächste größere Ortschaft zu organisieren, doch telefonisch ist kein Durchkommen. Es bleibt uns wohl nicht anderes übrig, als bis zum nächsten Bahnhof zu laufen. Dieser befindet sich in Rain, gute fünf Kilometer südlich von hier. Großer Enthusiasmus kommt bei diesen Aussichten nicht auf. Da der nächste Zug bereits in 50 Minuten von dort abfährt, müssen wir uns zudem sputen. Und so jagen wir kurz darauf, noch immer im strömenden Regen, an der Landstraße entlang nach Süden. Gerade als wir den Bahnsteig erreichen, rollt der Zug nach Neuburg ein.
Stationen | Distanz | Differenz | Zeit | |
---|---|---|---|---|
Neuburg a. d. Donau (Bahnhof) | ||||
Alte Burg | +5,3 km | 81m ↑ | 29m ↓ | +1h 00m |
Finkenstein | +2,4 km | 60m ↑ | 60m ↓ | +0h 45m |
Antoniberg | +5,0 km | 34m ↑ | 57m ↓ | +1h 05m |
Stepperg | +1,0 km | 8m ↑ | 39m ↓ | +0h 10m |
Bertoldsheim | +5,5 km | 8m ↑ | 11m ↓ | +1h 15m |
Marxheim (Donaubrücke) | +6,7 km | 7m ↑ | 5m ↓ | +1h 15m |
Gesamt | 25,9 km | 198m ↑ | 201m ↓ | 5h 30m |