Die als »Symphonie der Steine« bekannten Basaltformationen in der Azat-Schlucht.

Auf Abwegen durch die Azat-Schlucht

Vom Tempel von Garni zum Kloster Geghard


01. November 2019 • Autor: bra.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt unsere Wanderung durch die Azat-Schlucht in Armenien. Nach einer Besichtigung des Tempels von Garni steigen wir direkt hinab in den tief eingeschnittenen Canyon, wo uns mit der »Symphonie der Steine« schon bald eine imposante Basaltformation erwartet. Kurz darauf verlieren wir in der Nähe des Klosters Havuts Tar jedoch den richtigen Weg aus den Augen und landen unerwartet in der Ortschaft Goght. Per Taxi gelangen wir dennoch zu unserem Ziel: dem Kloster Geghard.

Schwierigkeit: T2GPS-Route: Download

Erste Schritte in Garni

Nach der gestrigen Besteigung des Artanish (2461m) am Sewansee steht heute eine Wanderung durch die eindrucksvolle Basaltschlucht von Garni auf unserem Programm.

Zunächst fahren wir von Jerewan nach Garni (1400m), wobei uns die traumhafte, hügelige und golden-herbstliche Landschaft bereits auf die Wanderung einstimmt. In Garni angekommen, holen wir uns zunächst ein paar Infos im Touristenzentrum, sehen uns die Kirche dahinter an, und gehen von dort aus direkt zu unserem ersten Zwischenziel: dem Tempel von Garni (1396m). Der im ersten Jahrhundert nach Christus im griechisch-römischen Stil erbaute Komplex liegt auf einem Plateau und bietet einen wunderschönen Blick hinein in die Azat-Schlucht, in der wir bald unsere Wanderung antreten werden.

Die Azat-Schlucht bei Garni.

Üppige Auen und karge Hänge prägen das Bild der Azat-Schlucht.

Vor dem Eingang zum Tempelgelände stehen viele Stände von Armeniern, die dort ihre Leckereien — unter anderem türkischen Honig — an die Touristen verkaufen. Nachdem wir uns die Eintrittskarten besorgt haben, spazieren wir zunächst auf dem schönen Gelände umher und werfen dabei den ein oder anderen Blick in den bis zu 300 Meter tiefen Canyon. Der Tempel erinnert ein wenig an die Akropolis in Athen und es wird uns bewusst, wie weit verbreitet die griechisch-römische Kultur vor 2000 Jahren noch war.

Der Tempel von Garni.

Der Tempel von Garni vereint armenische Mythologie mit griechisch-römischer Architektur.

Noch mehr staunen wir aber darüber, dass die Armenier ihre Häuser mitunter sehr nahe an der Schlucht bauen. Ob es wohl schon vorgekommen ist, dass bei regnerischem und stürmischem Wetter das ein oder andere Haus verschlungen wurde? Immerhin ist das allgegenwärtige Basaltgestein äußerst brüchig, wie wir später noch sehen werden.

Abstieg in die Canyon-Idylle

Nachdem wir uns an dem Blick in die Schlucht bereits ergötzt haben, starten wir mit der Wanderung. Zunächst verlassen wir das Tempelgelände und biegen die erste kleine Teerstraße nach rechts ab, die sehr steil ins Tal nach unten führt. Die Straße endet bei einem kleinen Haus, an dem wir von Hunden begrüßt werden. Wir gehen rechts vorbei und folgen dem Weg entlang bis zu einem Zaun. Nun müssen wir etwas suchen, entdecken jedoch schon bald einen kleinen Pfad, der nach rechts weiter ins Tal hinabführt. Nach 20 Minuten sind wir unten angekommen und stehen auf einem alten Weg, der sich am Fluss Azat entlangzieht. Nicht weit von uns entfernt entdecken wir eine Bank samt Tisch, und so entschließen wir uns, neben dem ruhig vor sich hinplätschernden Wasserlauf erst einmal einen Snack einzunehmen.

Der Azat in der Azat-Schlucht.

Am Ufer des Azat legen wir eine erste Brotzeitpause ein.

Wir sind ganz allein — es ist keine Hochsaison — und so können wir die Einsamkeit genießen. Die herbstliche Landschaft mit ihren gelb-roten Bäumen sowie die angenehmen Sonnenstrahlen tauchen das gesamte Tal in ein warm-goldenes Licht und lassen uns abschalten. Der einzige unbefriedigende Punkt sind die häufigen Müllansammlungen am Wegesrand. Hier merkt man leider, dass die Bevölkerung noch nicht ausreichend für Umweltschutz sensibilisiert ist.

Die Symphonie der Steine

Als wir weiterwandern, sehen wir erste Wegweiser, die uns zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, nämlich in Richtung der als »Symphonie der Steine« (1340m) bekannten Basaltformationen. Das Tal um uns herum wird immer surrealer, als das Basaltgestein auf der linken und rechten Seite futuristische Formationen annimmt. Die hexagonalen Basaltsäulen, die den Weg begrenzen, sind im Laufe der Jahrhunderte durch die Abkühlung von Lava entstanden. Sie sind relativ instabil und brechen häufig ab. Ihre Trümmer säumen unseren Weg.

Die »Symphonie der Steine« in der Azat-Schlucht.

Die eindrucksvolle »Symphonie der Steine« baut sich vor uns auf.

Nach etwa 40 Minuten kommen wir zur Hauptattraktion: Der Weg verengt sich, und wir stehen vor einer 200 Meter hohen Steilwand aus Basaltsäulen, die unten bereits abgebrochen sind und somit eine kleine Höhle beherbergen. Die Säulen werden auch als »Orgelsymphonie« bezeichnet, da ihre Form an Orgelröhren erinnert.

Die »Symphonie der Steine« in der Azat-Schlucht.

Fasziniert studieren wir die hexagonal-geformten Basaltsäulen.

Einsamkeit am Fluss

Nachdem wir uns der wahrhaftig einzigartigen Formation sattgesehen haben, schreiten wir durch das Nadelöhr und gelangen kurz darauf zur mittelalterlichen Garni-Brücke aus dem elften Jahrhundert, die wir jedoch rechts liegen lassen. Wir folgen weiterhin dem Fluss, vorbei an einem Fischzuchtbetrieb, bis der Hauptweg nach einer Brücke schließlich rechterhand den Fluss verlässt. Hier könnte man zum verlassenen Kloster Havuts Tar (1590m) aufsteigen. Wir gehen jedoch weiterhin am Fluss entlang. Schon bald wird der Canyon breiter und sanfter, und die Basaltsäulen verschwinden endgültig.

Ein Fischzuchtbetrieb in der Azat-Schlucht.

Jenseits der Garni-Brücke stoßen wir auf einen Fischzuchtbetrieb.

Wir kommen an grünen Flussauen vorbei, auf denen auch eine Kuh gerade ihr Mittagessen einnimmt. Auf dem gegenüberliegenden Hügel können wir die Ruinen von Havuts Tar ausmachen, und beim Blick zurück die Engstelle mit der »Symphonie der Steine«. Auch wenn auf den Hängen das ein oder andere Haus vorüberzieht, bleibt unser Weg durch den Canyon einsam und menschenleer, und die Ruhe des sonnigen Herbsttages lässt uns das aufgeregte Treiben der Hauptstadt vergessen.

Eine Kuh am Ufer des Azat.

Eine Kuh weidet sich an den grünen Auen des Azat.

Die Schattenseiten

Eine Stunde nach dem »Symphonieorchester« gelangen wir zu einer, wie sich später herausstellt, illegal errichteten Fischfarm (1400m), in der Palomino-Forellen gezüchtet werden. Wir werden von einem Hund und mehreren Hühnern begrüßt, an denen wir jedoch unbeeindruckt vorbeigehen. Leider befindet sich um das Haus herum wieder ein umfangreicher Müllberg. Man fragt sich, warum dies den Einwohnern nicht unangenehm ist.

Ungewollt nach Goght

Nun wird es unübersichtlich. Es geht zunächst leicht nach oben, weg vom Fluss. Dann teilt sich der Weg: entweder gerade steil den Hügel hinauf, an einem kleinen Rinnsal entlang, oder nach rechts leicht nach oben. Zunächst versuchen wir den rechten Weg, treffen dort jedoch bald auf eine Rinderherde, die uns den Weg versperrt und so ein Weiterkommen unmöglich macht. Somit bleibt uns nur die Flucht nach oben. Wir kommen an einem kleinen Wasserspeicher vorbei, steigen weiter steil bergauf, vorbei an wasserführenden Rohren und einem kleinen Rinnsal. Während des Aufstiegs treffen wir auf weitere Müllberge, ein paar friedliche Rinder, und ein altes Auto, welches hier sein tristes Dasein fristet. Über uns ist bereits das Dorf Goght (1600m) auszumachen, welches wir bald erreichen werden.

Der Weg aus der Azat-Schlucht nach Goght.

Ein breiter Weg führt uns — zugegebenermaßen etwas ungewollt — aus der Schlucht heraus.

Was wäre der korrekte Weg gewesen? Hätten wir vielleicht unten rechterhand an den Teichen der Fischfarm vorbeigehen müssen? Wäre dort ein Weg am Fluss entlanggegangen? Oder wäre ein leichter Anstieg auf dem Weg, der durch die Rinderherde versperrt war, die richtige Wahl gewesen? Wir werden es nicht mehr erfahren. Nach knapp einer Stunde kommen wir auf einem Feldweg inmitten des Dorfes heraus und stellen uns darauf ein, den restlichen Weg zum Kloster Geghard (1760m) auf der Hauptstraße zurückzulegen.

Mit dem Taxi nach Geghard

Allerdings wird uns schnell klar, dass dieser Weg landschaftlich nicht sehr attraktiv ist, und — aufgrund des regen Verkehrs — erst recht nicht sicher. Somit entscheiden wir uns, den Rest des Weges mit dem Taxi zurückzulegen. Bald hält ein Auto und wir können entspannt die Fahrt zum Kloster Geghard antreten. Die Landschaft ändert sich je näher wir dem Weltkulturerbe kommen: Die Hänge werden wieder steiler!

Das Kloster liegt direkt am Fluss Azat, jedoch bereits einige hundert Höhenmeter höher. Der Fluss ist hier noch deutlich kleiner und unruhiger. Gelb-rote Hänge umgeben das Kloster, das über Jahrhunderte in die Felsen hineingebaut wurde. Erste Bauten gehen noch auf die alte Seidenstraße zurück und dienten Händlern als Zwischenstation. Das heutige Kloster entstand schrittweise zwischen dem vierten und dem 13. Jahrhundert nach Christus. In dieser Zeit konnten die Mönche aufgrund der geschützten Lage relativ unbeschwert ihrem Glauben nachgehen.

Das Kloster Geghard in Armenien.

Das Kloster Geghard kann auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Wir genießen die beeindruckenden historischen Bauten, lassen uns durch die armenischen Schriften an den Grabsteinen und Klosterwänden in eine andere Zeit entführen, und geben uns dem Charme der ruhigen Umgebung hin. In der Hauptkirche werden wir Zeuge einer armenischen Hochzeit. Bunte Hochzeitsbänder schmücken die kleine Brücke am Fluss sowie die angrenzenden Bäume. Nachdem wir uns auf dem Klostergelände ausgetobt und alle Winkel begutachtet haben, treten wir mit dem Taxi schließlich den Rückweg nach Garni an.

Kerzen im Kloster Geghard.

Mit Interesse erkunden wir das gesamte Klostergelände.

Tagesausklang im Schatten des Ararat

Von dort fahren wir mit dem Auto noch einmal eineinhalb Stunden zum Kloster Chor Virap an der armenisch-türkischen Grenze und genießen unterwegs bereits den traumhaften Blick auf den Ararat (5137m), der zwar nur einen Katzensprung entfernt ist, jedoch aufgrund der geschlossenen Grenze unerreichbar bleibt — zumindest für heute. Die beiden schneebedeckten Gipfel des Ararat sind auf jeden Fall faszinierend und laden geradezu zu einer Besteigung in der Zukunft ein. Nachdem wir das ebenso wunderschöne Kloster besichtigt haben, fahren wir nach Jerewan zurück. Ein anstrengender Tag mit vielen unvergesslichen Eindrücken liegt hinter uns, der Lust auf weitere Wanderungen in Armenien macht.

Der Ararat mit dem Kloster Chor Virap.

Ein Besuch des Klosters Chor Virap im Schatten des Ararat rundet den Tag ab.

StationenDistanzDifferenzZeit
Garni
→ Tempel von Garni +1,0 km 0 m ↑ 4 m ↓+0h 20m
→ Symphonie der Steine +2,7 km118 m ↑ 174 m ↓+1h 00m
→ Goght +5,7 km302 m ↑ 42 m ↓+2h 00m
Gesamt 9,4 km420 m ↑220 m ↓ 3h 20m