Der Blick vom Artanish auf den Sewansee.

Über dem Sewansee

Die Besteigung des Artanish


31. Oktober 2019 • Autor: bra.


Übersicht

Dieser Bericht behandelt die Besteigung des Artanish am Nordostufer des Sewansee. Nach einem kulturellen Abstecher zum Kloster Sewanawank beginne ich meine Wanderung kurz hinter dem Ortsausgang von Shorzha. Von dort geht es über die sanft ansteigende Westflanke des Artanish schnell hinauf zum menschenleeren Gipfel. Nachdem ich meine Blicke über die abwechslungsreiche Landschaft Armeniens habe schweifen lassen, kehre ich zurück ins Tal, wo mich ein kühles Bad im Sewansee erwartet.

Schwierigkeit: T2GPS-Route: Download

Eine Reise nach Armenien

Als der Wetterfrosch in der letzten Oktoberwoche Schnee für meine Wahlheimat Moskau ankündigt, entschließe ich mich spontan, einen Kurzurlaub in Armenien zu verbringen. Die armenische Hochebene ist ein fast das ganze Jahr über sonniges und trockenes Plätzchen, und selbst Ende Oktober liegen die Höchsttemperaturen noch um die 15 Grad. Perfekt für ein paar Wanderungen und kulturelle Exkursionen!

In Jerewan gelandet sehe ich mir die Stadt an und staune über die abwechslungsreiche Architektur, die neben Sowjetgebäuden auch Gebäude mit einem antiken, südländischen Touch zu bieten hat. Die Menschen, denen ich begegne, sind sehr offen und freundlich. Man merkt, dass das Wetter hier wenig zu wünschen übriglässt. Und von meinem Hotelzimmer habe ich den Ararat (5137m) mit seinen zwei Gipfeln im Blick. Obwohl das unverkennbare Massiv bereits jenseits der türkischen Grenze liegt, betrachten es die Einheimischen dennoch als Wahrzeichen Armeniens.

Der Blick von Jerewan auf den Ararat.

Der Ararat mit seiner markanten Doppelspitze ist das Wahrzeichen Armeniens.

Der Sewansee und das Kloster Sewanawank

Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Auto schließlich nach Norden an den Sewansee, der zirka 50 Minuten von der Hauptstadt entfernt liegt. Mein Ziel ist es, den am Nordostufer gelegenen Berg Artanish (2461m) zu besteigen. Da der See selbst bereits auf 1900 Metern liegt, erwarte ich lediglich eine kurze Wanderung.

Generell empfiehlt es sich, unterwegs dem am Nordwestufer gelegenen Kloster Sewanawank einen Besuch abzustatten. Die altehrwürdige armenisch-apostolische Stätte, die im Jahre 874 von Prinzessin Mariam gegründet wurde, bietet einen schönen Blick über die Weite des Sees sowie auf die umliegende Hochebene. Als ich aussteige, um das Kloster zu begutachten, bemerke ich, dass der Herbst hier oben bereits weiter fortgeschritten ist als in Jerewan, das deutlich tiefer liegt. Die Bäume sind bereits dabei, ihr noch gelbes Blätterdach zu verlieren, und dem Wetterbericht nach, soll es hier in der Nacht sogar schneien.

Sewanawank: Die verlorene Insel

Das Kloster Sewanawank befand sich einst am Südufer einer kleinen Insel im Sewansee. Als unter Stalins Herrschaft das Wasser des Sewansee zunehmend zur Bewässerung von Ackerflächen abgelassen wurde, fiel schließlich der Wasserpegel um gute 20 Meter ab und verwandelte die einstige Insel in eine Halbinsel.

Das Kloster Sewanawank am Nordwestufer des Sewansee.

Seit dem Jahr 874 überblickt das Kloster Sewanawank schon den Sewansee.

Nach dieser kleinen Kultureinlage geht es mit dem Auto noch einmal 40 Minuten am See entlang, wobei die Straßenverhältnisse nun zusehends ungemütlicher werden. Ruppiger Asphalt, Schlaglöcher, und immer wieder auch Kühe säumen die einsame Straße. Schließlich erreiche ich das Dorf Shorzha (1915m), nach dessen Ausgang zwei Schotterstraßen nach rechts abzweigen. Mein Ziel — der Artanish (2461m) — ist bereits direkt vor mir zu sehen: ein aufragender vulkanähnlicher Kegel mit gelblichem Antlitz. Ich nehme die zweite Straße, fahre an einem dort abgestellten, kaputten, ohne Reifen dastehenden orangen Kamaz-Truck vorbei und kämpfe mich über den Schotter bis zur Westflanke des Berges. Dort beginne ich meinen Aufstieg. Da der Berg relativ flach aufsteigt und nirgends schwer ist, kann er aus meiner Sicht jedoch von allen Seiten her begangen werden.

Bildergalerie: Artanish

Herbstlicher Aufstieg

Für mich geht es zunächst leicht ansteigend die Westflanke hinauf, vorbei an kleinen Bäumen, die hier sehr spärlich wachsen. Der Untergrund ist von Kleingestrüpp überzogen, das mir jedoch kaum Schwierigkeiten bereitet. Nach 15 Minuten flacht der Hang ab und ich blicke mich um. Vor mir liegt der Sewansee, der im Schein der Sonne glitzert. Dahinter ist die armenische Hochebene mit ihren bis zu 4000 Meter hohen Vulkanen zu sehen. Rechts liegt mir Shorzha in einer kleinen Bucht zu Füßen. Außer mir ist keine Menschenseele unterwegs, und ein Gefühl von Leichtigkeit und Unbeschwertheit macht sich breit.

Der Gipfel des Artanish am Sewansee.

Über goldgelbe Herbstflanken geht es dem Gipfel entgegen.

Dieses Gefühl hält jedoch nicht lange... Als ich den Aufstieg in flottem Tempo fortsetze, bemerke ich schnell, dass ich mich bereits auf über 2000 Metern befinde. Das Atmen fällt schwerer und schwerer, und ich muss das Tempo etwas zügeln. Für einen Moment suche ich nach einer Abkürzung, um etwas direkter auf den Gipfel zuzugehen, jedoch stellt sich das Gestrüpp abseits des eigentlichen Weges — so unscheinbar dieser auch sein mag — als biestig heraus und bremst mich sogleich wieder aus. Den kleinen, bereits in herbstlichen Farben geschmückten Bäumen am Wegesrand sind meine Mühen natürlich egal.

Der Blick vom Artanish auf den Sewansee.

Die Mittagssonne spiegelt sich im malerischen Sewansee.

Um eine weitere Erfahrung dieser Art zu vermeiden, umgehe ich eine kleine Senke vor mir und wende mich zunächst nach rechts, um von der Südseite den letzten Anstieg anzutreten.

Beruhigende Stille und einsame Ausblicke

Artanish
AliasԱրտանիշ լեռ
LandArmenien
GebirgeArmenisches Hochland
KammSewangebirge
Höhe2461 m
Koordinaten40°28′50″N, 45°18′36″E

Hier ist nun endlich wieder ein kleiner Wanderweg zu erkennen. Schnell steige ich auf diesem die letzten Meter hinauf und erreiche das »Gipfelkreuz« des Artanish (2461m), dessen dünnes, schwarzes Gestell wohl auch von Geologen zur Vermessung der Landschaft genutzt werden könnte. Gerade einmal 55 Minuten habe ich benötigt, um die rund 500 Höhenmeter zurückzulegen.

Der Blick vom Artanish auf den Sewansee und das Sewangebirge.

Im Osten breitet sich das anmutige Sewangebirge vor mir aus.

Eine leichte, angenehme Brise weht über den Gipfel hinweg. Ich setze mich und genieße den traumhaften Ausblick — sowohl auf den Sewansee vor mir als auch auf die hügelige Landschaft hinter mir. Ja, so kann man das Erreichte würdig annehmen! Ich bemerke, dass der gesamte Berg praktisch in den See hineinragt, während die anderen Berge nur um ihn herum existieren.

Da der Gipel grundsätzlich sehr flach und weitläufig ist, lege ich nach der entspannten Gipfelbrotzeit noch eine kleine Runde ein, um in alle Richtungen das mir zu Füßen liegende Land zu begutachten.

Der Blick vom Artanish auf den Sewansee und die Ortschaft Shorzha.

Im Westen liegt mir die Bucht von Shorzha zu Füßen.

Zum Abschied ruft der See

Danach geht es beschwingt vom Gipfel auf gleichem Wege zurück zum Auto — immer mit dem Blick zum See gerichtet, der von der sich bereits dem Horizont nähernden Sonne zum Glitzern gebracht wird. Zurück am Ufer des Sewansee lege ich noch eine kurze Pause am schwarzen Vulkanstrand ein und bade meine Füße im kristallklaren und eiskalten Wasser. Dann geht es zurück nach Jerewan.

Das Ufer des Sewansee mit dem Artanish im Hintergrund.

Am Ufer des Sewansee endet schließlich mein armenisches Wanderabenteuer.

StationenDistanzDifferenzZeit
Shorzha
→ Artanish ✝ +2,3 km531 m ↑ 0 m ↓+0h 55m
→ Shorzha +2,3 km 0 m ↑ 531 m ↓+0h 30m
Gesamt 4,6 km 0 m ↑ 0 m ↓ 1h 25m