Blick vom Gipfel des Mount Elphinstone über den Howe Sound.

Alle guten Dinge sind drei

Die Besteigung des Mount Elphinstone


01. Juli 2018 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht behandelt die Besteigung des Mount Elphinstone in den Küstenbergen bei Vancouver. Nachdem wir mit der ersten Fähre nach Langdale übergesetzt haben, steigen wir über den Sprockids Bike Park und den Mount Elphinstone Summit Trail in knapp vier Stunden zu dem einsam stehenden Panorama-Gipfel auf. Von dort genießen wir die herrliche Aussicht über den Howe Sound und die Wälder des Tetrahedron Provincial Parks, ehe es wieder über dieselbe Route zurück zu unserem Ausgangspunkt geht.

Schwierigkeit: T3GPS-Route: Download

Ein alter Bekannter

Der Luft ist kühl, der Himmel über Vancouver noch grau und wolkenverhangen. Es ist ein Morgen, an dem man am liebsten im Bett bleiben würde. Doch ein guter Freund aus der Heimat ist gerade in der Stadt, und wir haben uns für heute zu einer Wanderung verabredet. Es soll nur eine kleine Vorbereitungstour werden, bevor wir in ein paar Tagen zum deutlich anspruchsvolleren Nootka Trail aufbrechen.

Um kurz nach fünf Uhr morgens treffen wir uns an der Waterfront Station. Während hier normalerweise reger Betrieb herrscht, erscheint der Vorplatz des Bahnhofs an diesem Morgen noch verlassen und leer. Vor dem Haupteingang essen wir einen Happen und warten auf unseren dritten Mitstreiter. Ein ehemaliger Kommilitone und guter Bergkamerad, mit dem ich schon so einige Ecken der North Shore Mountains erkundet habe, will sich uns heute anschließen. Wenige Minuten später sitzen wir auch schon zu dritt in einem Taxi und jagen dem Fährhafen an der Horseshoe Bay entgegen.

Es ist Canada Day, und zur Feier des Tages wollen wir heute den Mount Elphinstone (1266m) besteigen — einen markanten, alleinstehenden Gipfel auf der Westseite des Howe Sound. Für mich ist er ein alter Bekannter. Schon zweimal habe ich versucht, den Elphinstone zu besteigen — beide Male vergeblich.

Der Mount Elphinstone an der Sunshine Coast im Winter.

Majestätisch thront der Mount Elphinstone über der Sunshine Coast.

Meinen ersten Versuch unternahm ich am 25. Februar 2017. Obwohl der Mount Elphinstone (1266m) vom Deck der Fähre nur leicht angezuckert ausgesehen hatte, verlor sich der Weg schon bald im tief verschneiten Bergwald, und mir blieb nichts anderes übrig, als umzukehren.

Drei Monate später, am 25. Mai 2017, unternahm ich gemeinsam mit meinem Studienkollegen den nächsten Anlauf, doch auch dieses Mal kam uns der Schnee in die Quere. Tapfer kämpften wir uns über verschneite Steilhänge und fragile Schneebrücken, nur um wenige Meter unterhalb des Gipfels schließlich doch vor den Schneemassen kapitulieren zu müssen.

Heute, im dritten Anlauf, soll es nun endlich klappen.

Der Mount Elphinstone an der Sunshine Coast im Winter.

Unvorstellbare Schneemassen zwangen uns letzten Mai kurz vor dem Gipfel zur Umkehr.

Willkommen in Langdale

Mit der ersten Fähre des Tages setzen wir nach Langdale (5m) über. Über dem kleinen, verschlafenen Küstenort hängen heute Morgen noch dunkle Wolken, und für den späten Vormittag ist sogar etwas Regen vorhergesagt. Doch davon lassen wir uns die Stimmung nicht verderben. Gut gelaunt fiebern wir vom Deck aus der Wanderung entgegen.

Der Blick von der Fähre in Richtung Langdale.

Dichte Wolken treiben über den Howe Sound hinweg, als wir nach Langdale übersetzen.

Um 08:15 Uhr legen wir schließlich an. Während eine endlos lange Autokarawane aus dem Bauch der Fähre rollt, machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Zielstrebig überqueren wir den gut gefüllten Parkplatz vor dem Terminal und steigen über ein paar Stufen zum Port Mellon Highway hinauf, dem wir ein paar Minuten nach Norden folgen. Als linkerhand die ersten Häuser von Langdale auftauchen, verlassen wir die kaum befahrene Fernstraße.

Im Schatten einiger alter Zedern geht es jetzt die Wharf Road hinauf. Die Luft ist schwül, der Anstieg steil. Vor einer Reihe Landbriefkästen am Straßenrand entledigen wir uns daher erst einmal der Jacken und trinken einen Schluck. Dann verschwinden wir aber auch schon am Ende der Straße im Regenwald.

Der Regenwald ruft

Zarte Farne und üppige Sträucher säumen den schmalen Pfad, der uns jetzt schnurgerade durchs Unterholz führt. Während meine beiden Begleiter noch diskutieren, ob die Salmonberrys am Wegesrand bereits reif sind, halte ich Ausschau nach einem alten Autowrack, das hier irgendwo rechterhand im Wald versteckt liegt und langsam von Moos und Farnen verschlungen wird. Es dauert nicht lange, bis wir das alte Gefährt im Dickicht entdecken. Der Karosserie nach muss es schon seit Jahrzehnten hier draußen liegen. Kurz bleiben wir stehen, um uns das Wrack genauer anzusehen. Dann wenden wir uns aber wieder dem Weg zu, der uns schon bald zu einer Lichtung bringt.

Ein altes Autowrack im Regenwald bei Langdale.

Mitten im Regenwald entdecken wir ein altes Autowrack.

Unter den gigantischen Masten einer Stromtrasse geht es nun nach Süden. Für ein paar Minuten genießen wir den Szenenwechsel. Befreit von der grünen Monotonie des Regenwalds, erfreuen wir uns jetzt an der Blumenpracht am Wegesrand. Die purpurfarbenen Blüten der Schmalblättrigen Weidenröschen wippen im Wind, und der Rote Fingerhut ist noch vom Regen des Vortags benetzt.

Doch das alles ist nur eine Momentaufnahme. Ehe wir uns versehen, gewinnen hüfthohe Farne und moosüberwucherte Baumstümpfe wieder die Oberhand und führen uns zurück in den Regenwald. Unter uns können wir bereits das wilde Rauschen des Langdale Creek vernehmen.

Der Pfad hinab zum Langdale Creek am Fuße des Mount Elphinstone.

Farne und moosüberzogene Baumstämme prägen die Szenerie oberhalb des Langdale Creek.

Nachdem wir den tosenden Gebirgsbach überquert haben, führt uns eine steile Piste namens Lunge direkt hinauf zum Sprockids Bike Park. Unzählige abwechslungsreiche Mountainbike-Routen ziehen sich hier durch den Wald. Mein Freund aus der Heimat, ein MTB-Enthusiast, ist begeistert. »Ich seh’ schon, irgendwann muss ich noch einmal zum Biken hierherkommen!«, raunt er. Für heute bleibt ihm allerdings nichts anderes übrig, als zu Fuß weiterzuziehen.

Der Mount Elphinstone Summit Trail

Relativ unspektakulär folgen wir jetzt dem gut gepflegten Mount Elphinstone Summit Trail durch den Regenwald hinauf. Während wir langsam an Höhe gewinnen, staunen wir über die letzten Baumgiganten, die hie und da noch vereinzelt im Wald stehen. Man kann nur erahnen, wie es hier vor 150 Jahren ausgesehen haben mag, bevor die europäischen Siedler mit der Abholzung ganzer Landstriche begannen.

Ein gigantischer Baum am Mount Elphinstone.

Nur noch wenige solcher Riesen sehen wir bei unserem Aufstieg.

Während wir noch über den kolonialen Raubbau diskutieren, flacht der Weg allmählich ab und mündet auf einem schmalen Kamm, der uns zum Oberlauf des Langdale Creek bringt. Zu unserer Überraschung führt der Gebirgsbach heute deutlich weniger Wasser als bei unserm letzten Besteigungsversuch. Damals mussten wir noch über einen glitschigen Baumstamm tänzeln, um auf die andere Seite zu gelangen — ein Balance-Akt, der nicht immer gutging... Heute genügen ein paar beherzte Schritte, von Stein zu Stein, um das andere Ufer mit trockenen Stiefeln zu erreichen.

Da wir mittlerweile schon seit über zwei Stunden unterwegs sind, suchen wir uns direkt hinter dem Creek ein paar bequeme Baumstümpfe und legen eine erste Brotzeitpause ein. Mit den Pizza-Resten des Vortages füllen wir dort die angezehrten Kraftreserven wieder auf. Dann ziehen wir weiter.

Erste Ausblicke

Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis sich das Blätterdach zu lichten beginnt. Auch der Weg wird nun etwas angenehmer. Statt stur bergauf geht es nun erst einmal relativ eben dahin. Während wir dem Pfad zügig nach Norden folgen, blitzen rechterhand, zwischen den knorrigen Zedern am Wegesrand, zum ersten Mal die Inseln im Howe Sound hervor. Keats Island, Pasley Island, Hermit Island, Popham Island — sie alle sind jetzt zu sehen. Mein alter Kamerad aus der Heimat scheint bereits jetzt begeistert von der Aussicht. Und doch ist es nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

Ein erster Blick vom Mount Elphinstone in Richtung Howe Sound.

Zum ersten Mal erhaschen wir einen Blick auf die Inseln im Howe Sound.

Nach einem weiteren Waldintermezzo finden wir uns auf einer sumpfigen Lichtung mit einem nicht sehr einladenden Tümpel wieder. Von unserem letztjährigen Ausflug kennen mein Kommilitone und ich diese Stelle noch zu gut — auch wenn sie überhaupt nicht mehr so aussieht wie im Winter. Wo damals noch gute zwei Meter Schnee lagen, zeigt sich uns jetzt ein hölzerner Boardwalk, der von Amerikanischem Stinktierkohl gesäumt wird. Leichtfüßig stapfen wir über den Brettersteig hinweg, vorbei an dem rostfarbenen Wasserloch, und verschwinden wieder im Wald.

Fast am Ziel

Jetzt beginnt der Schlussanstieg. Wie erwartet, wird der Weg hier nun deutlich rauer. Ehe wir uns versehen, müssen wir uns mühsam über rutschiges Wurzelwerk und umgestürzte Bäume immer weiter den Hang hinaufkämpfen. Bei einer Lichtung, die zum ersten Mal einen Blick gen Norden erlaubt, stoßen wir zudem auf die ersten Schneefelder.

Bildergalerie: Mount Elphinstone

»Jetzt sollte es nicht mehr weit sein«, sage ich zu meinen Begleitern. Mein ehemaliger Kommilitone nickt. Nicht weit von hier hatten wir letztes Jahr unseren Besteigungsversuch abbrechen müssen. Der Schnee lag so hoch, dass von den umliegenden Tannen nur noch die Spitzen herausblickten.

Doch heute kommt uns nichts mehr in die Quere. Mit ein paar gekonnten Handgriffen kraxeln wir eine letzte, seilversicherte Stelle hinauf und erreichen kurz darauf mit dem Aussichtspunkt den ersten Vorposten des Gipfels. Umrahmt von rosablühenden Moosheiden bietet der felsige Granitkopf einen herrlichen Blick über das Umland. »Recht viel schöner wird das Panorama am Gipfel auch nicht sein«, meint mein alter Freund aus der Heimat und überredet uns zum Bleiben.

Eine seilversicherte Stelle kurz vor dem Gipfel des Mount Elphinstone.

Erst kurz vor dem Gipfel müssen wir zum ersten Mal »Hand anlegen«.

Zufrieden werfen wir die Rucksäcke ab und machen es uns auf dem Felskopf gemütlich. Eine gute halbe Stunde bleiben wir hier in der Sonne sitzen und genießen bei einer kleinen Brotzeit die grandiose Aussicht über die Sunshine Coast. Während uns Langdale und Gibsons unmittelbar zu Füßen liegen, können wir in der Ferne — jenseits von Bowen Island mit dem Mount Gardner (758m) — sogar die unverkennbare Skyline von Downtown Vancouver ausmachen.

Nach einem schnellen Gruppenfoto vor der traumhaften Kulisse wenden wir uns schließlich der Schlussetappe zu. Kaum haben wir die Rucksäcke wieder geschultert, kommen uns von oben zwei Mädels entgegen. »Wie weit ist es noch bis zum Gipfel?«, erkundige ich mich neugierig. »Zehn Minuten«, antwortet die jüngere der beiden und nickt uns im Vorübergehen freundlich zu.

Der Blick vom Aussichtspunkt am Mount Elphinstone über Keats and Bowen Island.

Vom Aussichtspunkt haben wir einen hervorragenden Blick auf die Inseln im Howe Sound.

Der eigentliche Gipfel

Mount Elphinstone
LandKanada
GebirgeCoast Mountains
KammTetrahedron Plateau
Höhe1266 m
Koordinaten49°27′48″N, 123°31′49″W

Tatsächlich dauert es nicht einmal halb so lange. Ehe wir uns versehen, erscheint vor uns bereits der weiße Funkturm, der den höchsten Punkt des Mount Elphinstone (1266m) markiert. Zufrieden klatsche ich meine beiden Begleiter ab. Der Fluch ist gebrochen!

Der Gipfel des Mount Elphinstone an der Sunshine Coast.

Der Gipfel des Mount Elphinstone lädt zu einer langen Pause ein.

Auf dem hölzernen Heli-Pad hinterhalb des Funkturms machen wir es uns jetzt noch einmal gemütlich. Eine Dreiergruppe aus Ontario leistet uns etwas Gesellschaft. »Es gibt schon schöne Ecken in Ontario«, meint einer von ihnen, »aber so etwas gibt es bei uns nicht« und deutet dabei auf die malerische Landschaft der Küstenberge. Auch wir können uns an diesem Panorama nicht sattsehen.

Ein dichter, weißer Wolkenteppich treibt mittlerweile über die schier endlosen Nadelwälder im Norden hinweg, hinter denen gelegentlich auch die verschneiten Gipfel des Tetrahedron Provincial Parks hervorblitzen. »Wie viele Bären da unten wohl unterwegs sind?«, sinniert einer meiner Begleiter beim Blick über die scheinbar unberührte Landschaft zu unseren Füßen.

Der Blick vom Gipfel des Mount Elphinstone über die Nadelwälder des Tetrahedron Provincial Park.

Unendliche Nadelwälder breiten sich im Norden aus.

Wettlauf gegen die Zeit

Auch wenn es schwerfällt, müssen wir uns irgendwann vom Gipfel losreißen — und so schultern wir um 13:45 Uhr ein letztes Mal die Rucksäcke und machen uns an den Abstieg. Dieser führt uns über dieselbe Route wieder hinab nach Langdale.

Obwohl wir äußerst flott unterwegs sind, zieht sich der Weg nun noch einmal ordentlich. Kehre um Kehre arbeiten wir uns nach unten und haben dabei stets die Uhr im Blick. Denn insgeheim spekulieren wir darauf, noch die Fähre um 16:20 Uhr erwischen zu können. Andernfalls müssten wir über eine Stunde am Terminal totschlagen.

Der Blick vom Aussichtspunkt des Mount Elphinstone über den Howe Sound und die Sunshine Coast.

Nach einem letzten Blick über den Howe Sound steigen wir wieder hinab nach Langdale.

Zwischenzeitlich sieht es so aus, als hätten wir ein komfortables Zeitpolster. Zum Schluss hinaus wird es dann aber doch noch einmal äußerst eng. Als wir wieder die ersten Ausläufer von Langdale erreichen, bleiben uns gerade noch fünf Minuten.

Mit allerletzter Kraft spurten wir dem Terminal entgegen. Die Hafenarbeiter sind bereits dabei, das Tor zur Fähre zu schließen, als wir über den Parkplatz gelaufen kommen. »Ihr habt es geschafft, Jungs!« ruft uns einer der Arbeiter aufmunternd entgegen und öffnet das Gitter wieder einen Spalt. »Wo kommt ihr denn her?«, erkundigt sich der andere. »Vom Berg«, schnaufen wir. »Welcher Berg?« »Elphinstone!«, sagen wir mit einem breiten Grinsen.

Am Ticketautomaten lässt mein alter Schulfreund in aller Eile drei Fahrkarten heraus, dann spurten wir mit letzter Kraft in den Bauch der Fähre. Euphorisch klatschen wir uns dort erst einmal ab und atmen durch. Gerade einmal zweieinhalb Stunden haben wir für den Abstieg gebraucht. Nach dieser Rekordzeit haben wir uns eine Stärkung jetzt mehr als verdient, und so stolpern wir direkt hinauf zur Bordkantine, wo uns ein paar Lachsburger mit Fritten erwarten.

Ein Lachsburger mit Fritten auf der Fähre zur Horseshoe Bay.

In der Bordkantine der Fähre gönnen wir uns ein wohlverdientes Festmahl.

Nachdem wir wieder halbwegs bei Kräften sind, treten wir wieder hinaus auf das Sonnendeck und werfen einen letzten Blick zurück — zurück auf unseren Gipfel, den Mount Elphinstone (1266m). Doch da ist dieser bereits wieder unter einem dunklen Wolkenteppich verschwunden.

StationenDistanzDifferenzZeit
Langdale
→ Mount Elphinstone ✝ +10,0 km 1271 m ↑ 5 m ↓+4h 00m
→ Langdale +10,0 km 5 m ↑ 1271 m ↓+2h 35m
Gesamt 20,0 km 1276 m ↑ 1276 m ↓ 6h 35m