Der staubige Weg zum Jbel Toubkal.

Die Sahara im Blick

Der lange Weg zum Jbel Toubkal


10. – 13. Februar 2013 • Autor: bra.


Übersicht

Dieser Bericht behandelt die Besteigung des Jbel Toubkal (auch: Djebel Toubkal) in Marokko. Unsere Wanderung zum höchsten Berg Nordafrikas beginnt in Imlil, einem kleinen Bergdorf im Herzen des Hohen Atlas. Von dort führt uns zunächst ein langer Marsch über das Refuge du Toubkal hinauf zum geräumigen Gipfel des imposanten Viertausenders. Nach einer langen Gipfelpause mit Blick auf die Sahara kehren wir schließlich wieder nach Imlil zurück. Dort hängen wir spontan noch einen zweitägigen Höhentrek nach Asni über Tizi Oussem an.

Schwierigkeit: T3GPS-Route: Download

Tag 1: Willkommen in Marokko

Aus der Kälte in Europa kommen wir mit all unserem Gepäck – drei Rucksäcken – in Marrakesch an. Hier ist es sonnig, und bei warmen 20 Grad geht es im Taxi weiter nach Imlil (1710m), dem Ausgangspunkt der Besteigung des Jbel Toubkal (4167m). Es ist ein kleines Dorf, das gemütlich in einem Talkessel liegt. Hier warten bereits die ersten Einheimischen, die uns eine Führung zum Gipfel aufquatschen wollen. Diese offensive Art, Touristen Leistungen anzubieten, wird uns leider noch öfter begegnen. Da wir uns vorher schon informiert haben, lehnen wir dankend ab und gehen los. Die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas sind hinter den ansonsten braun anmutenden Hügeln und vor dem blauen Himmel deutlich zu erkennen. Auch in Imlil ist es dank der Sonne gemütlich warm, und wir freuen uns schon, dem Winter in Deutschland entkommen zu sein.

Die schneebestäubten Gipfel des Hohen Atlas.

Bereits in Imlil haben wir die schneebestäubten Gipfel des Hohen Atlas im Blick.

Im Tal des Oued Rheraya

Der Weg ist leicht zu finden: Zunächst folgen wir einem „Flussbett“, welches praktisch kein Wasser führt, bis wir linkerhand langsam aufsteigen. Die Vegetation ist recht karg, ein bisschen Grün neben dem durchaus abwechslungsreichen Braun. Auf dem Weg begegnen wir Eseln, Schafen, Bergführern – die uns für spanische Touristen halten und uns regelmäßig mit „Qué tal?“ begrüßen – und anderen, meist spanischen, Touristen. Man merkt, dass die Bevölkerung hier hauptsächlich vom Tourismus lebt, da sich auf dem Weg gelegentlich Stände und Gebäude befinden, in denen Tauschhandel mit Reisenden betrieben wird. Der Weg führt relativ gerade an einem Bach namens Oued Rheraya entlang, in dessen Tal wir nun wandern.

Das ausgetrocknete Flussbett des Oued Rheraya.

Der Weg führt uns zunächst über ein ausgetrocknetes Flussbett.

Schnee, Eis und Kugelschreiber

Auf ungefähr 2500 Metern Höhe gelangen wir an die Schneegrenze und treffen letztmals ein paar einheimische Kinder, die auf Eseln den Pfad zurück ins Tal reiten. Wie üblich wird man von ihnen gefragt, ob man nicht einen Kugelschreiber erhalten könnte („Stylo? Stylo?“). Da einschlägige Wanderführer hier empfehlen, dies nicht zu tun, da ansonsten bei den Kameraden in der Schule Neid und Streit ausbrechen kann, kommt von uns nur ein „Non, pardon!“

Erste Schnee- und Eisfelder am Jbel Toubkal.

Auf über 2500 Metern treffen wir auf die ersten Schnee- und Eisfelder.

Schlaflos am Refuge du Toubkal

Als die Sonne uns eine neue Nacht beschert, sind wir immer noch nicht an unserem heutigen Tagesziel, dem Refuge du Toubkal (3207m), angelangt. Wir packen die Taschenlampen aus und gehen unbeirrt weiter. Nach einiger Zeit sehen wir endlich den leichten Schein der Schutzhütte, mangels Elektrizität durch Kerzen ausgelöst. Wir sind bereits knapp sechs Stunden unterwegs. Der Eigentümer erklärt uns, dass wir neben einer Übernachtung auch noch einheimisches Essen und Tee erhalten können. Von diesem Angebot machen wir auch gerne Gebrauch – insbesondere die Suppe und der Tee sind überaus empfehlenswert. Ein kleines Problem stellen jedoch noch die Übernachtungskosten dar. Ich möchte gerne handeln, doch meine Begleiter bestehen darauf, dass der Preis schon in Ordnung sei. Naja, zumindest ein klein wenig kann ich den Eigentümer dann doch noch herunterhandeln. Dies wird auch in jedem Reiseführer empfohlen. Wie sich später herausstellt, ist der Preis trotzdem noch deutlich höher als eine Übernachtung in einem Low-Budget-Hotel in Marrakesch. Dennoch sind wir froh, in einem Haus zu schlafen und nicht im Zelt, da die Temperaturen mittlerweile überaus kalt sind. Leider ist die Nacht aufgrund der Höhenluft nicht von viel Schlaf gesegnet, aber trotzdem können unsere Körper zumindest ein bisschen neue Kraft für die Gipfeletappe sammeln.

Das Refuge du Toubkal.

Unsere Unterkunft für die erste Nacht: das Refuge du Toubkal.

Tag 2: Steigeisen und ein toter Schmetterling

Am nächsten Tag gehen wir nach dem Sonnenaufgang früh los. Der Aufstieg geht hinter dem Refuge du Toubkal (3207m) linkerhand nach oben. Es wird nun steiler und leider auch vereist, so dass wir unsere Steigeisen das erste Mal sinnvoll verwenden können. Sobald wir das steile Stück hinter uns haben, scheint uns die Sonne wieder ins Gesicht. Leider bekommen wir auch Gegenwind, so dass die gefühlten Temperaturen nun deutlich unter null Grad liegen. Wir gehen abwechselnd auf einer Stein-, Schnee- und Eisdecke entlang, rechts und links umringt von Felsskulpturen. Die Landschaft ist jetzt bar jeden Lebens, nur einen toten Falter finden wir im Laufe unserer Tour am Wegesrand vor. Welch Größenwahn und welche Höhenwinde ihn hier sein Leben aushauchen ließen? Wir werden es nie erfahren.

Schneefeld unterhalb des Jbel Toubkal.

Es wird Zeit für Steigeisen.

Die letzten Meter zum Gipfel

Nach einem steilen Anstieg nähern wir uns dem Gipfel des Toubkal (4167m) und sehen endlich auf die andere Seite, also nach Osten in die Sahara. Die Höhenluft lässt meine Wanderkollegen mittlerweile deutlich an Kraft einbüßen. Deshalb suchen wir uns eine windgeschützte Stelle, von der aus man bereits den Gipfel und die Weite der Wüste betrachten kann. Nachdem wir wieder etwas Kraft geschöpft haben, gehen wir die letzten Höhenmeter zum Gipfel. Hierbei müssen wir zunächst an der Flanke des Gipfelaufbaus linkerhand entlang gehen. Dies stellt die anspruchsvollste und gefährlichste Passage dar, da ein Fehltritt den Sturz in unergründliche Tiefen zur Folge hätte. Dank unserer Steigeisen klappt alles jedoch ohne Probleme. Schon sehen wir die Gipfelpyramide vor uns, und nach ein paar weiteren Metern können wir das Gerüst aus Stahl abklatschen.

Der Gipfel des Jbel Toubkal.

Der Gipfel des Toubkal ist zum Greifen nah.

Der höchste Punkt Nordafrikas

Jbel Toubkal
LandMarokko
GebirgeAtlasgebirge
KammHoher Atlas
Höhe4167 m
Koordinaten31°03′43″N, 07°54′58″W

Endlich geschafft! Wir genießen den Blick über die Ödlandschaften der Sahara und den Hohen Atlas. Was kann man zur Aussicht sagen? Seht euch einfach die Bilder an: es sind die weiten Wüstenlandschaften der Sahara, die anderen Berge des Hohen Atlas und auch die Ausläufer Marrakeschs zu sehen. Wenn man im Februar auf dem Dach Nordafrikas steht, beschleicht einem das positive Gefühl der Einsamkeit, der Erhabenheit der Natur und die Freude über das Erreichte.

Der Blick in Richtung Marrakesch.

Im Westen blicken wir in Richtung Marrakesch.

Die Gipfel des Hohen Atlas.

Karg und einsam zeigen sich uns die anderen Gipfel des Hohen Atlas.

Die Sahara.

Endlos breitet sich die Sahara zu unseren Füßen aus.

Unsere Zufriedenheit wird jedoch etwas geschmälert: Insbesondere der unaufhörlich blasende, eiskalte Wind und die dadurch niedrigen Temperaturen mindern deutlich die Glücksgefühle am Gipfel. Der Sonnenschein kann hier nicht weiterhelfen. Einer meiner Freunde will und kann die Aussicht nicht mehr genießen: Er ist bereits zu kalt. Also nicht erfroren … aber er sucht Windschutz und taucht hinter einer kleinen Mauer unter und weigert sich lange, wieder hervorzukommen. Nur das Gipfelfoto und ein paar Klettereinlagen an der Pyramide bringen zum Schluss das Leben in ihm wieder zum Erglühen.

Ein eisiges Biwak

Nach einem letzten Blick auf die Westseite des Hohen Atlas beginnen wir zügig mit dem Abstieg. Als wir erneut beim Refuge du Toubkal (3207m) ankommen, dämmert es bereits. Da wir nicht nochmal ein Vermögen für eine Übernachtung zahlen wollen, steigen wir unter Verwendung unserer Taschenlampen weiter ab bis auf zirka 2500 Meter, wo wir einen passenden Schlafplatz finden. Wir stellen das Zelt auf und versuchen zu schlafen. Bei mir soll es bei einem Versuch bleiben. Die eisigen Temperaturen lassen es nicht zu, auch nur ein Auge zuzumachen. Die Nacht kommt uns endlos lange vor, und als endlich der Tag anbricht, erfreuen wir uns an den wärmenden Sonnenstrahlen.

Bildergalerie: Jbel Toubkal

Tag 3: Ein Höhentrek zum Abschluss

Am dritten Tage vollenden wir schließlich den Abstieg nach Imlil, machen vorher aber noch einen kleinen Abstecher zu einem nahegelegenen Wasserfall. Nachdem wir dort mit eisigem Bergwasser geduscht und uns mit leckerem, einheimischem Brot eingedeckt haben, hängen wir spontan noch einen zweitägigen Trek von Imlil über einen Pass (2479m) in Richtung Asni (1150m) an. Hier sehen wir die ersten und einzigen Wolken, in die wir im Laufe unserer Wanderung eintauchen müssen. Eine weitere Nacht auf zirka 2000 Metern Höhe bringt die gleiche Temperaturproblematik wie am Vortag mit. Der Versuch, mit Feuerstahl ein Feuer zu entzünden scheitert leider: Mehr als ein wenig Qualm ist nicht zu erreichen. Dennoch erfreuen wir uns am Geleisteten und können aufgrund der klaren Nacht noch ein paar beeindruckende Sternenfotos schießen.

Nebel im Atlasgebirge.

Bei unserem Trek geht es kurzzeitig auch in den Nebel hinein.

Tag 4: Farbenspiele auf dem Weg nach Asni

Am nächsten Morgen geht es zunächst weiter nach Tizi Oussem (1850m), wo wir von einem Bauern in sein bescheidenes Heim auf einen Tee eingeladen werden. Danach kommt einer der schönsten Abschnitte der Tour: Wir gehen zirka zehn Kilometer an einem kleinen Fluss entlang, wobei sich grünes Gras sowie braune und gelbe Erde abwechseln, und mit dem blauen Himmel und den weißen Bergen hinter uns ein wahrhaftiges Farbenspiel veranstalten. Auch die 25 Grad und Sonne tragen ihren Teil dazu bei – insbesondere nach der Kälte der letzten Tage. Weitere zehn Kilometer auf einem Feldweg führen uns abschließend zum Endpunkt unserer Tour nach Asni, von wo wir ein Taxi zurück nach Marrakesch nehmen.

Eine Flusswanderung nach Tizi Oussem.

Eine schöne Flußbettwanderung sorgt für den krönenden Abschluss.

StationenDistanzDifferenzZeit
Imlil
→ Refuge du Toubkal +10,8 km1497 m ↑ 0 m ↓+5h 45m
→ Jbel Toubkal ✝ +3,0 km 964 m ↑ 4 m ↓+4h 10m
→ Refuge du Toubkal +3,0 km 4 m ↑ 964 m ↓+2h 20m
→ Imlil +10,8 km 0 m ↑1497 m ↓+5h 00m
→ Tizi Oussem +7,5 km 737 m ↑ 597 m ↓+3h 00m
→ Asni +20,7 km 475 m ↑1175 m ↓+5h 30m
Gesamt 55,7 km3677 m ↑ 4237 m ↓ 25h 35m