Blick über das Hag’s Glen am Carrantoohil.

Der lange Weg zum Gipfel-Guinness

Die Besteigung des Carrauntoohil


03. Juni 2018 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht beschreibt die Besteigung des Carrauntoohil in den Macgillycuddy’s Reeks. Unsere Wanderung zum höchsten Berg Irlands beginnt auf Cronin’s Yard, einem privaten Wanderparkplatz in der Nähe von Killarney. Von dort geht es über das malerische Hag’s Glen und die anspruchsvolle Devil’s Ladder hinauf zum gut besuchten Gipfel. Nachdem wir das herrliche Panorama sowie ein Gipfel-Guinness ausgekostet haben, treten wir den Abstieg an. Dieser führt uns über den Cnoc na Toinne und die Zig Zags wieder hinab ins Hag’s Glen und anschließend zurück zum Parkplatz.

Schwierigkeit: T3GPS-Route: Download

Ein trister irischer Morgen

Mit etwas Skepsis blicken wir heute Morgen in den irischen Himmel. Eigentlich sah die Wettervorhersage für heute ja ganz passabel aus... Doch während wir über die engen und kurvenreichen Straßen des County Kerry brettern, treibt immer noch ein trister, grauer Wolkenteppich über den Südwesten der Grünen Insel hinweg. Dabei wäre ein bisschen Sonnenschein heute durchaus angebracht – immerhin sind wir unterwegs zum Carrauntoohil (1038m), dem höchsten Berg Irlands!

Cronin’s Yard

Auf Cronin’s Yard (144m) – einem großen, privaten Wanderparkplatz – stellen wir unseren Wagen ab. Es ist gerade einmal 08:30 Uhr morgens, aber bereits jetzt geht es hier zu wie am Stachus. Praktisch im Minutentakt rollt hier Auto um Auto ein. »Vielleicht liegt es am Feiertag«, mutmaße ich. Wir hatten bei unseren Planungen nicht bedacht, dass heute der June Bank Holiday gefeiert wird. So oder so, der Traum von einer einsamen, idyllischen Wanderung durch Irlands höchste Berge ist bereits jetzt in weite Ferne gerückt. Aber da wir schon einmal hier sind, wird auch gewandert! Während mein Begleiter noch seinen Rucksack packt, zahle ich unsere Parkgebühr (2 Euro) und sehe mich ein wenig auf dem Gelände um. Neben Toiletten und Duschen entdecke ich auch ein kleines Café, das im Moment aber leider noch geschlossen hat.

Ein gemütlicher Auftakt

Nach meinem kleinen Rundgang kehre ich zurück zum Auto, wo mein Begleiter auch schon abmarschbereit auf mich wartet. »Also, auf geht’s!« Gemütlich trotten wir hinüber zum Ende des Parkplatzes und folgen dem Wegweiser hinein in die irische Wildnis. Doch nur ein paar Meter weiter verführen uns ein paar neugierige Lämmer und zwei leicht verschlafene Esel bereits zur ersten Pause. Nachdem wir ein paar Fotos von den putzigen Gesellen gemacht haben, setzen wir unseren Marsch gen Süden fort. Grasende Schafe, taubenetzte Farne und gelb blühender Stechginster säumen fortan den leicht ansteigenden Weg. Kurz nachdem wir zum ersten Mal den River Gaddagh passiert haben, stoßen wir auf eine Weggabelung. Wie wir unserer Karte entnehmen können, vereinigt sich hier unsere Route mit dem Zustieg, der im benachbarten Lisleibane beginnt.

Stechginster und Farne am Carrauntoohil.

Gelber Stechginster und grüne Farne säumen den Weg jenseits von Cronin’s Yard.

Hinein ins Hag’s Glen

Während wir nun schön langsam ins urtümliche Hag’s Glen vorstoßen, klart der Himmel über den Macgillycuddy’s Reeks – so wird Irlands höchstes Gebirge von den Einheimischen genannt – zunehmend auf. Der blaue Himmel scheint sich tatsächlich gegen die Wolken durchzusetzen, und die ersten Sonnenstrahlen streifen über die grünen Schafweiden des weitläufigen Bergkessels. »Was für eine Idylle!«

Das Hag’s Glen mit dem Carrauntoohil.

Am River Gaddagh entlang geht es hinein ins malerische Hag’s Glen.

Doch mit der Idylle ist es leider schnell wieder vorbei! Von hinten rückt uns eine riesige Wandergruppe – es müssen um die 20 Mann sein – immer näher. Obwohl sie noch ein ganzes Stück von uns entfernt sind, hören wir ihr Geschnatter laut und deutlich. Nach ein paar Minuten ist meine Geduld am Ende. »Also entweder wir legen einen Zahn zu oder wir lassen sie passieren. So oder so, recht viel länger tu’ ich mir das nicht an!«, sage ich zu meinem Begleiter, der mittlerweile ebenfalls genervt scheint. Wir entscheiden uns, die Schwätzer vorbeizulassen, um endlich wieder etwas Ruhe zu haben. Doch wie sich schon bald herausstellt, hätte es das gar nicht gebraucht. Denn direkt hinter der nächsten Flussüberquerung verlassen die Nervensägen eh den Hauptweg und biegen auf einen schmalen Nebenpfad ab. »Die scheinen über den Brother O’Shea’s Gully raufgehen zu wollen«, sage ich zu meinem Begleiter. Wir halten uns diese Route für den Abstieg offen, ziehen für unseren Aufstieg aber den klassischen Weg über die Devil’s Ladder vor.

»Der Carr... Was?!« – Aussprache und mehr:

Bei Carrauntoohil handelt es sich um eine Anglisierung des irischen Namens Corrán Tuathail (vermutlich ‘Sichel des Tuathail’). Daneben existieren auch zahlreiche andere Schreibweisen, wie zum Beispiel Carrantoohil, Carrantouhil, Carrantuohill und Carrauntuohill. Die Aussprache ähnelt der englischen Aussprache des Frauennamens Karen Tool.

Zwischen den Seen

Mittlerweile hat sich der Nebel soweit verzogen, dass wir zum ersten Mal einen ungestörten Blick auf den Carrauntoohil (1038m) werfen können! Wie frisch beseelt folgen wir dem breiten Weg immer weiter nach Süden. Die Devil’s Ladder – eine knapp 250 Meter hohe, steile Felsrinne – können wir bereits vor uns erkennen. Doch bevor wir diese erreichen, sollten wir eigentlich noch an zwei Seen vorbeikommen. »Siehst du sie schon?«, ruft mir mein Begleiter von hinten zu. Aber für den Moment lassen die beiden schön gelegenen Bergseen noch auf sich warten. Ein paar Minuten später taucht linkerhand mit dem Lough Callee (329m) dann doch der erste See auf. Da wir mittlerweile schon fast eine Stunde unterwegs sind, und unser Frühstück heute Morgen nicht sehr ergiebig war, nutzen wir die Gelegenheit für eine kurze Brotzeitpause am steinigen Ufer. Als wir uns kurz darauf wieder auf den Weg machen, taucht zu unserer Rechten mit dem Lough Gouragh (340m) auch schon der zweite See auf.

Der Lough Callee am Carrauntoohil.

Als wir den Lough Callee erreichen, hat sich das Wetter schon deutlich gebessert.

Die Devil’s Ladder

Jetzt geht es gleich ans Eingemachte: Die berüchtigte Devil’s Ladder erwartet uns! Je näher wir der steilen Felsrinne kommen, desto rauer und steiniger wird der Weg. Es dauert nicht lange, bis wir zum ersten Mal die Hände zur Hilfe nehmen müssen. Schon bald werden die Kraxel-Einlagen zur Routine. Schritt für Schritt, Zug für Zug arbeiten wir uns Felsstufe um Felsstufe nach oben. Markierungen gibt es hier nicht, und so ist vorausschauendes Gehen angesagt! Im Großen und Ganzen kommen wir aber problemlos voran. Erst auf den letzten Metern wird die Rinne dann doch noch leicht unangenehm. Statt griffigem Fels erwartet uns plötzlich eine Mischung aus Erde und feinem Geröll: Zeichen der fortschreitenden Bodenerosion, die hier am Berg mehr und mehr zum Problem wird! Ein älteres Pärchen steigt – beziehungsweise rutscht – uns von oben mit Müh’ und Not entgegen. »Gut, dass wir hier nicht wieder runter müssen!«, murmle ich meinem Begleiter erleichtert zu.

Blick von Devil’s Ladder auf das Hag’s Glen und die Seen Lough Callee und Lough Gouragh.

Von der steilen Devil’s Ladder werfen wir einen Blick zurück ins Hag’s Glen mit den zwei Seen.

Auf dem Sattel

Gegen 10:40 Uhr haben wir es geschafft: Die Rinne öffnet sich langsam und führt uns hinauf auf den grünen Sattel zwischen Carrauntoohil (1038m) und dem Cnoc na Toinne (845m). Genüsslich schauen wir uns ein wenig um. Während der höchste Berg Irlands momentan wieder unter einem dichten Nebelschleier verschwunden ist, haben wir nach Süden hin einen großartigen Blick über den Ring of Kerry und die Beara Halbinsel. Zudem liegt uns mit dem Lough Curraghmore ein weiterer schöner Bergsee direkt zu Füßen. Da wir vom Gipfel im Moment eh nichts sehen würden, nutzen wir die Gelegenheit noch einmal für eine kleine Verschnaufpause.

Bildergalerie: Carrauntoohil & Cnoc na Toinne

Der finale Anstieg

Als das Wetter nach einigen Minuten erneut aufklart, machen wir uns wieder ans Werk. Von unserer jetzigen Warte scheint der Gipfel bereits greifbar nahe zu sein. Serpentine um Serpentine schleppen wir uns den steilen Gipfelaufbau hinauf und müssen dabei immer wieder entgegenkommenden Wanderern ausweichen. Eine knappe halbe Stunde geht das so dahin, dann taucht über uns endlich das heiß ersehnte Gipfelkreuz auf. Doch die Freude darüber währt nur kurz. Wie wir feststellen müssen, hat die große Wandergruppe von vorhin den Gipfel bereits in Beschlag genommen...

Der Gipfel des Carrauntoohil.

Dem Ziel nahe: Das Gipfelkreuz des Carrauntoohil taucht endlich über uns auf!

Panoramablick und Gipfel-Guinness

Carrauntoohil
AliasCorrán Tuathail
LandIrland
GebirgeMacgillycuddy’s Reeks
Höhe1038 m
Koordinaten51°59′55″N, 09°44′33″W

Kurzerhand suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen fernab der Nervtöter und packen unsere Brotzeit aus. Nach dem langen Aufstieg haben wir uns das mehr als verdient! Gemütlich sitzen wir auf dem höchsten Berg Irlands und lassen unsere Blicke über die Gipfel und Täler im Umland schweifen. Unter anderem haben wir mit dem Beenkeragh (1010m) und dem Caher (1001m) die beiden anderen Eintausender Irlands im Blick. Zudem liegen uns zahlreiche schöne Bergseen zu Füßen: im Osten Lough Callee und Lough Gouragh, im Westen Lough Eagher, Coomlougha Lough und Lough Eighter. Zur Krönung des Tages hole ich jetzt auch mein wohlverdientes Gipfel-Guinness aus dem Rucksack hervor. Mein Begleiter erfreut sich hingegen an einem Red Ale.

Blick vom Carrauntoohil auf Lough Eagher, Coomlougha Lough und Lough Eighter.

Unter anderem liegen uns Lough Eagher, Coomlougha Lough und Lough Eighter zu Füßen.

Guinness auf dem Carrauntoohil.

Ein wohlverdientes Guinness versüßt uns den Gipfelaufenthalt.

Quo Vadis?

Langsam wenden sich unsere Gedanken dem Abstieg zu. Die Devil’s Ladder, da sind wir uns einig, ist keine Option. Eine Alternative wäre natürlich der Brother O’Shea’s Gully im Westen. Während wir versuchen, die Route vom Gipfel aus nachzuvollziehen, werden wir von zwei jungen Iren unterbrochen, die uns um ein Foto bitten. Nachdem ich die beiden Jungs aus Carlow in Szene gesetzt habe, kommen wir schnell ins Gespräch. Als ich sie nach ihren Abstiegsplänen frage, deuten sie hinüber zum Cnoc na Toinne (845m) und erzählen uns, dass der Weg dort relativ einfach zu gehen sein soll. Zudem soll die Graskuppe auch ein paar neue Perspektiven bieten. Gemeinsam mit meinem Begleiter blicke ich hinüber und studiere den Weg. Zwar bringt diese Variante noch einmal einen kurzen Anstieg mit sich, aber ansonsten sieht die Route von hier oben tatsächlich sehr verlockend aus. Wir sind überzeugt!

Der Übergang zum Cnoc na Toinne

Cnoc na Toinne
LandIrland
GebirgeMacgillycuddy’s Reeks
Höhe845 m
Koordinaten51°59′26″N, 09°43′53″W

Als sich der Gipfel langsam mehr und mehr zu füllen beginnt, schultern wir wieder die Rucksäcke und wenden uns dem Abstieg zu. Nach gerade einmal einer halben Stunde erreichen wir wieder den Sattel zwischen Carrauntoohil (1038m) und dem Cnoc na Toinne (845m). Da es hier vor Wanderern nur so wuselt, gehen wir direkt weiter und nehmen den zweiten Gipfel des Tages in Visier. In nur wenigen Minuten steigen wir über den teils grasigen, teils schlammigen Grat nach oben, bis wir schließlich den geräumigen Gipfel des Cnoc na Toinne erreichen. Bevor wir gleich dem breiten Kamm weiter nach Norden folgen, nutzen wir die Gelegenheit noch einmal für eine kurze Trinkpause. Bei einem kleinen Steinmännchen legen wir die Rucksäcke ab und erfreuen uns am Panorama.

Blick vom Cnoc na Toinne auf das Hag’s Glen mit den zwei Seen.

Auch vom Gipfel des Cnoc na Toinne haben wir einen tollen Blick auf das Hag’s Glen.

Abstieg über die Zig Zags

Da es langsam spät wird, halten wir unsere Pause aber relativ kurz. Nachdem die Wasserflaschen wieder im Rucksack verstaut sind, folgen wir dem grasigen Kamm noch für ein paar Meter, ehe unser Pfad links in die Westflanke ausweicht. Obwohl der schmale Bergpfad, der nun vor uns liegt, nicht sehr anspruchsvoll ist, sollte man hier besser nicht stolpern. Denn linkerhand geht es mehr als jäh hinab! Nach ein paar Minuten in dem ausgesetzten Gelände erreichen wir schließlich die Zig Zags. Vom Gipfel des Carrauntoohil (1038m) konnten wir diese bereits bestens erkennen. Es handelt sich dabei um eine ganze Reihe enger Serpentinen, die sich über den steilen Hang hinunter ziehen. Während wir uns Kehre um Kehre nach unten arbeiten, gleitet unser Blick immer wieder hinüber zur Devil’s Ladder, die von dieser Seite besonders eindrucksvoll erscheint. Eine knappe halbe Stunde dauert dieser Abschnitt, dann enden die Zig Zags und der Pfad verläuft sich in einer Wiese. Ein paar schwachen Spuren folgend schaffen wir es aber dann doch wieder zurück zum Hauptweg unterhalb der Devil’s Ladder.

Abstieg vom Cnoc na Toinne.

Der Abstieg führt uns über die grüne Westflanke des Cnoc na Toinne.

Rückkehr zu Cronin’s Yard

Jetzt sind wir wieder in vertrautem Terrain. Über die breite, steinige Piste trotten wir langsam wieder hinab zu den beiden Seen, wo wir uns noch einmal eine kurze Brotzeitpause gönnen. Dann geht es über altbekannte Wege zurück in Richtung Cronin’s Yard (144m). Als wir um kurz vor 16 Uhr wieder unser Auto erreichen, werfen wir noch einmal einen sehnsüchtigen Blick zurück zum Carrauntoohil (1038m). Doch da ist der höchste Berg Irlands bereits wieder unter einem dichten Nebeltuch verschwunden.

Stechginster auf dem Rückweg vom Carrauntoohil.

Kurz bevor wir Cronin’s Yard erreichen, verschwindet der Carrauntoohil erneut im Nebel.

StationenDistanzDifferenzZeit
Cronin’s Yard
→ Carrauntoohil ✝ +5,9 km898 m ↑4 m ↓+3h 15m
→ Cnoc na Toinne ✝ +1,5 km110 m ↑303 m ↓+1h 00m
→ Cronin’s Yard +5,9 km1 m ↑702 m ↓+2h 25m
Gesamt 13,3 km1009 m ↑1009 m ↓6h 40m