Wir haben mehrere Berichte zur Kramerspitze (1985m) in den Ammergauer Alpen:

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Wir haben mehrere Berichte zum Wank (1780m) in den Bayerischen Voralpen:

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Wir haben mehrere Berichte zur Zugspitze (2962m) im Wetterstein:

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Das Johannifeuer vom Hohen Ziegspitz aus gesehen.

Berge in Flammen

Zur Johannisnacht über den Ziegspitzkamm


23./24. Juni 2016 • Autor: red.


Übersicht

Dieser Bericht behandelt die Überschreitung des Ziegspitzkamms in den Ammergauer Alpen. Meine Wanderung beginnt am Bahnsteig von Griesen. Von dort steige ich – nach einem kurzen Intermezzo am Friedergrieß – zunächst hinauf zur abgelegenen Grießbergalm. Nach einer kurzen Pause geht es anschließend weiter zum Rauhenstein. Von dort folge ich dem Grat nach Osten bis zum Hohen Ziegspitz, wo ich mein Nachtlager aufschlage und die Johannifeuer rund um Garmisch-Partenkirchen beobachte. Kurz nach Sonnenaufgang steige ich noch schnell auf den Vorderen Ziegspitz, ehe es anschließend über die Stepbergalm und das Gelbe Gwänd wieder hinab nach Untergrainau geht.

Schwierigkeit: T3GPS-Route: DownloadWanderkarte: Kompass 5

Achtung

Zum Schutze des vom Aussterben bedrohten Birkwilds sind Übernachtungen in jeglicher Form (Biwak, Zelt, Campen) im Naturschutzgebiet Ammergebirge ein Verstoß gegen die Schutzgebietsverordnung und können zu Bußgeldern bis 350 Euro führen.

Der Beginn einer besonderen Tour

Schweißgebadet stehe ich auf dem verwaisten Bahnsteig von Griesen (816m) und beobachte wie die rot-weißen Wagons der Regionalbahn langsam am Horizont verschwinden. Die Sonne brennt heute Nachmittag wieder einmal gnadenlos vom Firmament herab. »Außentemperatur: 33°C« – so hatte es gerade eben noch auf der Anzeigetafel im Zug geheißen – und tatsächlich scheint die Luft hier vor dem Bahnhofsgebäude in der Hitze zu flimmern. Doch beschweren will ich mich nicht. Ganz im Gegenteil, für meine heutige Tour sind diese Temperaturen gerade recht! Immerhin möchte ich heute – zur Feier des Johannifeuers – die Nacht im Freien verbringen, mit einem Biwak irgendwo hoch oben am Ziegspitzkamm.

Der Bahnsteig von Griesen.

Der Himmel über Griesen könnte nicht klarer sein.

Von Griesen ins Neidernachtal

Gewappnet mit sechs Litern Wasser mache ich mich auf den Weg. Zunächst schlendere ich gemächlich an der vielbefahrenen B23 entlang gen Griesen (816m). Die winzige Siedlung zwischen Garmisch und Ehrwald besteht gerade einmal aus einem Dutzend Häuser, und so stehe ich bereits nach wenigen Schritten auch schon wieder am Ortsausgang, wo sich eine Brücke über die glasklare Neidernach spannt. Jenseits des Wildbaches beginnt bereits Österreich. Doch ich möchte heute in deutschen Gefilden bleiben und biege daher noch vor der Brücke auf den breiten Forstweg ein, der rechterhand flussaufwärts führt. Kurz begutachte ich noch die kleine Kapelle am Wegesrand, dann folge ich dem Weg hinein ins Neidernachtal – und staune dabei nicht schlecht! Denn während das Flussbett nahe der Brücke fast einer Klamm ähnelte, frisst sich der kleine Wasserlauf hier nun durch ein gigantisches Schuttfeld, das an seiner breitesten Stelle eine Ausdehnung von mehr als 100 Metern erreicht.

Die Neidernach bei Griesen.

Die schmale Neidernach zwängt sich durch ein enormes Geröllfeld.

Im Schatten des Ofenberg

Direkt hinter dieser imposanten Geröllwüste fällt mir auch ein riesiger Gebäudekomplex ins Auge, der sich bei der Nachrecherche als eine Anlage zur Kiesgewinnung entpuppt. Nachdem ich mich an dem hässlichen Betonbau sattgesehen habe, verabschiede ich mich auch schon von der Neidernach und biege bei der ersten Gelegenheit nach rechts ab. Nun geht es – bei leichtem Auf und Ab – über eine breite Forststraße am Ofenberg (1174m) vorbei, der von dieser Seite einen doch recht schroffen Eindruck macht. Für ein paar Minuten genieße ich den Schatten, den die Bäume am Wegesrand spenden. Dann macht die Forststraße einen Schlenker nach Westen, und mit dem Schatten ist es schlagartig vorbei. Denn auf dem kiesigen Untergrund, der nun vor mir liegt, erreicht die spärliche Vegetation gerade einmal Schulterhöhe – wenn überhaupt.

Der Weg zum Friedergrieß bietet kaum Schatten.

Die spärliche Vegetation hinter dem Ofenberg spendet kaum Schatten.

Exkurs zum Friedergrieß

Einige Minuten später stehe ich auf einer großen Lichtung, an der gleich mehrere Wege zusammenlaufen. Rechts geht es weiter zum Ziegspitzkamm, dem Ziel meiner heutigen Tour. Doch bevor ich mich diesem zuwende, möchte ich noch einen kurzen Exkurs zum Friedergrieß einlegen. Dabei handelt es sich um eine fast 80 Hektar umfassende Geröllwüste, die seit 1978 als Naturwaldreservat geschützt ist. Durchzogen wird die karge Landschaft von der Friederlaine, einem wunderschöne Wildbach, der hoch oben in der Kreuzspitzgruppe entspringt. Auf seinem Weg ins Tal schleift dieser Unmengen an Schutt und Geröll mit sich mit und hat so über Jahrtausende das Bild des Talbodens entscheidend geprägt. Für ein paar Minuten spaziere ich durch die faszinierende Landschaft und gönne mir eine wohlverdiente Abkühlung im glasklaren Bergwasser. Dann kehre ich zurück zur Lichtung und nehme den Ziegspitzkamm wieder ins Visier.

Die Friederlaine im Friedergrieß.

An der Friederlaine gönne ich mir eine wohlverdiente Abkühlung.

Forststraßen und Schleichpfade

Mit meinem Tagesziel im Blick biege ich auf die Forststraße in Richtung Ochsenhütte (800m) ein. Dabei geht es – auf ebenem Weg – anfangs noch relativ gemütlich durch den erfreulich kühlen Wald. Erst als ich nach etwa eineinhalb Kilometern einen scharfen Schlenker nach links mache und auf das Elmaustraß’l in Richtung Rotmoos einbiege, zieht die Steigung wieder spürbar an. Schritt für Schritt quäle ich mich nun auf der breiten Schotterpiste nach oben. Währenddessen sausen die Radfahrer, die gerade von der Rotmoosalm (1195m) herunterkommen, ganz lässig an mir vorbei ins Tal.

Bildergalerie: Rauhenstein, Hoher Ziegspitz & Vorderer Ziegspitz

Bevor mein Neid auf die Radler noch die Überhand gewinnt, löse ich mich – bei einem Holzlager des hiesigen Försters – von der Forststraße und folge stattdessen den schlammigen Traktorspuren, die sich rechterhand den Hang hinaufziehen. Auch dieser Weg führt letztlich hinüber zur Rotmoosalm (1195m). Doch dort will ich heute eigentlich gar nicht hin, und so biege ich – als der Weg langsam wieder abflacht – direkt bei einem markanten Geröllhang erneut nach rechts ab. Über einen schmalen und ziemlich schlecht gepflegten Pfad geht es nun um die Südwestflanke des Grießbergs herum. Oft begangen wird dieser Weg mit Sicherheit nicht – dabei hat man von hier oben einen schönen Ausblick auf die Zugspitze (2962m) und den Eibsee!

Zwischen den Bäumen blitzt die Zugspitze hervor.

Zwischen den Bäumen blitzt immer wieder einmal das Zugspitzmassiv hervor.

Striptease auf der Grießbergalm

Kurz nach halb sieben stehe ich plötzlich auf einer kleinen Lichtung. »Das muss die Grießbergalm (1428m) sein!« – zumindest hoffe ich das. Denn ehrlich gesagt habe ich momentan keinen blassen Schimmer, ob ich überhaupt noch auf dem richtigen Weg bin. Dafür war der Pfad gerade eben einfach zu ungepflegt. Doch als ich hinter einigen Kiefern plötzlich einen Dachstuhl erblicke, weiß ich, dass ich mich nicht verlaufen habe. Zufrieden trotte ich zu der verwaisten Hütte hinüber und lege meinen Rucksack vor dem Eingang ab. Bei diesen Temperaturen ist eine Pause mittlerweile eh mehr als überfällig! Erschöpft lasse ich mich auf der Holzbank nieder und hole mein Wasser heraus. Zwei Liter habe ich mittlerweile schon aufgebraucht.

Die Grießbergalm lädt zu einer Pause ein.

An der gut versteckten Grießbergalm gönne ich mir eine kurze Rast.

Als ich die Flasche wieder im Rucksack verstauen will, fällt mein Blick auf einen Schleier aus schwarzen Dreckpartikeln, der sich über meine Beine zieht. »Moment! Hat sich der Dreck gerade eben bewegt?! Was zur …« Ich blicke noch einmal genauer hin und erkenne nun, dass jeder dieser vermeintlichen Dreckpartikel ein ganzes Set winzig kleiner Beine hat… Die nächsten zehn Minuten verbringe ich damit, mir Zecken von den Waden zu wischen … und den Schienbeinen … und den Oberschenkeln. Um keinen der winzigen Plagegeister zu übersehen, lege ich hier oben letztlich sogar einen kleinen Striptease ein. Während ich so splitterfasernackt vor der Almhütte stehe, überlege ich kurz, aus der geplanten Nachtwanderung eine Nacktwanderung zu machen... Dann wechsle ich aber doch lieber in meine langen Klamotten. Ich bin halt doch eher der introvertierte Typ...

Auf Irrwegen zum Rauhenstein

Rauhenstein
LandDeutschland
GebirgeAmmergauer Alpen
KammKramergruppe
Höhe1728 m
Koordinaten47°29′50″N, 10°59′12″E

Im frischen Gewand mache ich mich nun wieder auf den Weg. Zielstrebig folge ich dem Pfad, der sich direkt hinter der Hütte den Hang hinaufschlängelt und streife mir dabei erneut die eine oder andere Zecke von der Hose. Kurz vor Sonnenuntergang erreiche ich schließlich die unscheinbare Abzweigung zu meinem ersten Gipfelziel, dem Rauhenstein (1728m). Markierungen sucht man hier vergeblich. Selbst der minimalistische Steinmann am Einstieg, der von vielen Berichten erwähnt wird, ist unauffindbar. Ohne eine gründliche Recherche im Vorfeld sowie Kartenmaterial und GPS kann man diesen Gipfel eigentlich gleich vergessen. Und selbst mit diesen Hilfsmitteln ist der Gipfelerfolg nicht garantiert. Denn was sich jenseits des Einstiegs vor mir ausbreitet, kann nur als ein unübersichtliches Latschenlabyrinth beschrieben werden. Hier verläuft man sich gezwungenermaßen. Gleich zweimal breche ich aus dem Dickicht hervor, um festzustellen, dass ich auf der falschen Felszinne gelandet bin und das Kreuz ganz woanders ist. Erst im dritten Anlauf finde ich doch noch den richtigen Weg durch das Latschengewirr und erreiche den eigentlichen Gipfel. Mittlerweile ist die Sonne schon hinter dem Horizont verschwunden und ein herrliches Alpenglühen hat sich über das Wetterstein gelegt. Schnell greife ich mir das Gipfelbuch, um mich darin zu verewigen. Dann zwänge ich mich auch schon wieder durch die engen Latschengassen zurück zum Hauptweg, den ich diesmal erstaunlicherweise sogar auf Anhieb wiederfinde.

Sonnenuntergang am Rauhenstein.

Als ich den Rauhenstein erreiche, ist die Sonne bereits untergegangen.

Die Gratwanderung

Nun folgt der wohl schönste Abschnitt der Tour! Immer schön am Grat entlang geht es hinüber zum Hohen Ziegspitz (1864m). In der Entfernung kann ich den markanten Grasgipfel bereits erkennen. Ja, sogar ein paar menschliche Silhouetten lassen sich neben dem Kreuz ausmachen. Doch bis ich ihnen gegenüberstehe, wird noch fast eine Stunde vergehen. Im letzten Licht des Tages jage ich über den teils ausgesetzten Grat gen Osten und muss nun gelegentlich sogar etwas Handeinsatz zeigen. Doch wirklich gefordert fühle ich mich nicht. Zielsicher lasse ich einen Gratturm nach dem anderen hinter mir. Lediglich die Sichtverhältnisse lassen mittlerweile arg zu wünschen übrig. Doch weit ist es zum Glück nicht mehr und so lasse ich meine Stirnlampe vorerst noch in meinem Rucksack. Eine letzte grasige Kuppe, dann ist es endlich geschafft!

Die Nacht legt sich über das Ammergebirge.

Im letzten Licht des Tages jage ich über den Grat gen Osten.

Eine Nacht auf dem Hohen Ziegspitz

Hoher Ziegspitz
LandDeutschland
GebirgeAmmergauer Alpen
KammKramergruppe
Höhe1864 m
Koordinaten47°30′05″N, 11°00′12″E

Zufrieden stapfe ich zum Gipfel hinauf und stelle meinen Rucksack unter dem hölzernen Kreuz ab. Von der Gruppe, die sich hier oben gerade eben noch um das Feuer gekümmert hat, ist mittlerweile nur noch ein älterer Herr übrig geblieben. Kurz plausche ich noch mit ihm, dann macht aber auch er sich an den Abstieg – und ich bleibe vollkommen alleine auf dem Gipfel zurück. Im Tal die Lichter von Garmisch-Partenkirchen, in den Bergen die Lichter der Johannifeuer, am Firmament das Licht der Sterne. Es ist eine surreale Nacht!

Das Johannifeuer auf dem Hohen Ziegspitz.

Schön knistert das Johannifeuer auf dem Hohen Ziegspitz.

Nachdem ich meine Kamera samt Stativ auf das Wettersteinmassiv ausgerichtet habe, hole ich meine Isomatte heraus und mache es mir auf dem grasigen Gipfel bequem. Während die Feuerstellen neben mir noch knistern und knacken, genieße ich den herrlichen Ausblick. Unzählige Feuer erleuchten die Gipfel im Umland – wohin man auch blickt! Der Kramer (1985m) brennt, genauso wie die Notkarspitze (1889m) und der Wank (1780m). Die Soierngruppe ist das reinste Flammenmeer und auch auf der Westlichen Karwendelspitze (2385m) lodert es ordentlich. Doch am imposantesten ist heute Nacht zweifelsohne der Blick auf das Wetterstein. Es ist ein einzigartiges Schauspiel! Eine ganze Weile sitze ich noch am Feuer und genieße den Ausblick, dann lege ich mich hin.

Die Johannifeuer rund um Garmisch-Partenkirchen.

Der Blick auf die Johannifeuer im Wetterstein ist fantastisch!

Im Morgengrauen zum Vorderen Ziegspitz

Vorderer Ziegspitz
LandDeutschland
GebirgeAmmergauer Alpen
KammKramergruppe
Höhe1815 m
Koordinaten47°30′23″N, 11°00′39″E

Kurz vor Sonnenaufgang – es ist noch nicht einmal vier Uhr morgens – ist es fast schon wieder taghell. Da ich heute noch einen weiteren Gipfel erklimmen will, packe ich schnell meine Siebensachen und mache mich wieder auf den Weg. Mein nächstes Ziel – den Vorderen Ziegspitz (1815m) – habe ich dabei bereits im Blick. Während ich gemächlich zum Sattel zwischen den beiden Gipfeln hinabsteige, bricht auch schon die Sonne hinter den Bayerischen Voralpen hervor und taucht die umliegenden Berge in ein herrliches Orange. Für einen Moment halte ich inne und genieße das Farbspiel, dann beginne ich den Aufstieg zu meinem letzten Gipfel. Dieser ist kaum der Rede wert: eine grasige Flanke, ein paar beherzte Schritte, das war’s!

Der Vordere Ziegspitz bei Sonnenaufgang.

Im ersten Licht des Tages peile ich den Vorderen Ziegspitz an.

Der lange Weg nach Untergrainau

Nachdem ich das Gipfelkreuz abgeklatscht habe, kehre ich auch schon zurück zum Hauptweg. Mit drei Gipfeln im Gepäck wende ich mich nun dem Abstieg zu. Dieser führt mich zunächst über die anspruchsvolle Nordflanke hinunter zur schön gelegenen Stepbergalm (1592m), welche ich um kurz nach fünf Uhr morgens erreiche. Gerne würde ich mir hier ein Frühstück auf der Terrasse genehmigen, doch leider bin ich dafür viel zu früh dran. Unverrichteter Dinge gehe ich also weiter. Für den restlichen Abstieg nach Untergrainau (750m) wähle ich – wie gewohnt – die Route über das Gelbe Gwänd, die ich von meinen beiden Kramer-Touren bereits bestens kenne. Geschwind jage ich über den schmalen, teils leicht ausgesetzten Pfad hinab. Um kurz nach sieben Uhr erreiche ich schließlich die Ausläufer von Untergrainau. Gemütlich trotte ich hinüber zum Bahnsteig der kleinen Ortschaft und warte dort darauf, dass die rot-weißen Wagons der Regionalbahn langsam wieder am Horizont erscheinen mögen.

Die Stepbergalm.

Die urige Stepbergalm ist leider noch geschlossen.

StationenDistanzDifferenzZeit
Griesen
→ Friedergrieß +4,1 km130 m ↑ 16 m ↓+0h 50m
→ Grießbergalm +5,5 km590 m ↑ 92 m ↓+2h 20m
→ Rauhenstein ✝ +0,9 km300 m ↑ 0 m ↓+1h 00m
→ Hoher Ziegspitz ✝ +1,5 km242 m ↑106 m ↓+1h 10m
→ Vorderer Ziegspitz ✝ +0,8 km 31 m ↑ 80 m ↓+0h 40m
→ Stepbergalm +1,5 km 0 m ↑223 m ↓+0h 40m
→ Untergrainau +5,9 km 20 m ↑862 m ↓+1h 50m
Gesamt 20,2 km1313 m ↑1379 m ↓8h 30m